Isabelle
sorgfältig für den Empfang ausgewählt hatte.
Sie fand ihre Tochter am Tisch im Esszimmer. Mary war gerade dabei, das Mittagessen abzuräumen.
»Du siehst aus, als wäre dir kalt«, sagte Judith.
Carolien ignorierte die Bemerkung. »Mary, würden Sie uns bitte allein lassen?«
Judith zog eine Augenbraue hoch. Mary murmelte: »Ja, Mevrouw«, und trug das Tablett aus dem Zimmer.
»Bist du böse auf mich, weil ich keine Lust auf Neu jahrsdrinks habe?«, fragte Judith.
Carolien blieb stehen. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich böse bin. Ich will nur wissen, was los ist.«
»Was soll denn los sein?«
Carolien seufzte. »Du gehst schon seit Wochen nicht aus dem Haus. Du siehst lächerlich aus, ich weiß nicht, wo du diese verrückten Kleider her hast. Du wirst dick und träge, als tätest du hier den ganzen Tag lang nichts anderes als essen und trinken. Ich hoffe, du mäßigst dich zumindest in Bezug auf das Trinken. Ich wollte dich heu te eigentlich Fred Gerlach vorstellen, er ist Auslandsdi rektor der ABN-Bank geworden. Aber solange du so aussiehst, glaube ich nicht, dass sich irgendjemand für dich interessiert, ob du ein Vermögen besitzt oder nicht. Was soll das? Willst du Ben heilig sprechen lassen und ins Kloster gehen?«
Judith schaute hinaus. Der Garten lag unter einer wei ßen Reifschicht, alles wirkte gefroren, zerbrechlich und kalt. »Ich brauche keinen Mann«, sagte sie. »Jedenfalls vorläufig nicht. Und mir fehlt nichts, ich bin nicht krank.«
»Was bist du denn dann? Verrückt geworden?«
»Ich bin schwanger.«
Carolien schnappte vor Schreck nach Luft und stieß ein unangenehmes Lachen hervor, voller Spott und Mitleid. »Also doch übergeschnappt.«
»Ich bin schwanger von Ben.« Judith stand auf und ging zur Tür. »Es ist zwar noch früh, aber möchtest du vielleicht einen Sherry? Wir können nach nebenan gehen, der Kamin brennt.«
Sie drehte sich um. Carolien starrte den Bauch ihrer Tochter an, der unter einem weiten, wallenden Kleid verborgen war. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Abscheu und Wut. Sie kam auf Judith zu. »Das ist lächerlich, das weißt du genauso gut wie ich. Was soll dieser Unsinn?« Sie streckte die Hände nach dem seltsamen Bauch aus, aber Judith packte ihre Mutter an den Handgelenken.
»Hände weg.«
»Du bist reif für den Psychiater. Was ist da drunter?«
Judith wandte sich ab und ging vor Carolien her in den Salon. Sie bewegte sich in einem eigenartigen Watschelgang, als sei sie wirklich schwanger, so als habe sie alles sorgfältig einstudiert. Mary musste sich inzwischen daran gewöhnt haben, begriff Carolien, genauso, wie sie selbst sich ganz allmählich an die Flatterkleider und Morgenmäntel ihrer Tochter gewöhnt hatte. Carolien war sich sicher, dass ein Kissen oder Schaumgummipolster darunter steckte, es konnte nicht anders sein, es sei denn, Judith war so neurotisch geworden, dass sie eine Scheinschwangerschaft entwickelt hatte.
»Ich bin nicht verrückt«, sagte Judith. »Setz dich. Möchtest du einen Sherry?«
Carolien nahm im Lehnstuhl am Kamin Platz. Die Wärme der Flammen war wenigstens echt. Sie spürte die Kälte noch auf den Wangen. »Was geht eigentlich in dir vor?«
»Diese junge Frau ist schwanger geworden. Von Ben. Ich habe ihr angeboten, das Kind zu adoptieren, gegen Bezahlung. Sie wollte erst nicht, aber es hat sich herausgestellt, dass sie Zwillinge bekommt.« Judith legte eine Hand auf ihren unechten Bauch. »Und jetzt ist sie bereit dazu. Sie ist die Leihmutter des ersten und die Mutter des zweiten Kindes, und sie bekommt genügend Geld, um für ihr Kind zu sorgen. So sind alle zufrieden.«
Carolien schwieg perplex.
»Wir gehen in eine Privatklinik in Belgien«, erklärte Judith. »Wie Isabelle es formulierte: Eine Mutter geht rein zwei Mütter kommen wieder raus.«
Carolien erwachte aus ihrer Betäubung. Sie blickte in das sachliche Gesicht ihrer Tochter. »Ich kann das kaum glauben. Warum hast du mir nichts davon erzählt?«
»Ich wollte nicht darüber sprechen, bevor nicht alles geregelt war.«
»Du kannst dir doch noch nicht mal sicher sein, dass es von Ben ist.«
»Sie ist für Mitte Februar ausgerechnet. Ich bin mir sicher. Außerdem haben wir Bens DNA-Analyse und können jederzeit einen Vaterschaftstest durchführen lassen, falls Zweifel bestehen sollten.«
Carolien biss sich auf die Lippe und schaute Judiths Bauch an. »Und warum dieses Theater?«
»Ich bin kurz vor seinem Tod schwanger geworden«, sagte Judith.
»Du
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