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Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Besuch.«
    Christines Wut legte sich und Max sah, wie sich eine Falte über ihrer Nasenwurzel bildete, als überlege sie, was das Vorteilhafteste für sie wäre. Sie wusste, dass sie von den Gendarmen weder Unterstützung noch Mitleid erwarten konnte. Die Polizei wollte lediglich ihren Mann verhaften und kümmerte sich nicht um sie, außer es sollte sich herausstellen, dass sie in die Sache verwickelt war. Max hatte nicht den Eindruck, als wäre sie an der Planung des Mordes an Alex Lafont beteiligt gewesen. Aber vielleicht hatte sie manches aufgeschnappt und ihre Schlussfolgerungen daraus gezogen, ohne sie jemals auszusprechen. Nach einer lieblosen und unbefriedigenden Zweckehe, die zwanzig Jahre lang gedauert hatte, würde sie jetzt, wo ihre auf Sand gebauten Träume zu zerplatzen drohten, hauptsächlich an ihre eigenen Interessen denken.
    »Es geht uns nicht um teure Etiketten auf billigem Wein, oder um eine Ernte, die fünfmal größer ist als das, was ihre Weinberge einbringen«, sagte Max. »Das ist ein Fall für die französische Polizei. Wir sind wegen des Mordes hier.« Christine drehte sich brüsk um und ging über den breiten Flur davon. Max folgte ihr, zwischen den hohen Wänden, die mit einer cremefarbenen Mischung aus gelbem Sand und Kalk verputzt waren, wie es in alten Klöstern üblich war. Hier hingen Luftaufnahmen des Landbesitzes, eine lange Reihe eingerahmter Schwarzweißfotos der alten Weinkellerei. Raymond Lafont war auf keinem von ihnen zu sehen.
    »Es hat keinen Sinn, wegzulaufen wie Didier.« Max hörte Kleiweg hinter sich und drückte gegen eine zuschlagende Tür aus Eichenholz. »An das Weglaufen sind Sie wohl gewöhnt?«
    Christine blieb abrupt mitten im Raum stehen, den Rücken zu ihnen gewandt.
    Max betrachtete die antiken Büfetts, die schweren Stühle und die dunklen Rücken gebundener Bücher hinter Glastüren und dachte bei sich, dass es das niederländische Wort gezelligheid wohl deshalb in keiner anderen Sprache gab, weil es ausschließlich zu den langen Wintern, den verregneten Herbsttagen und den Nikolausabenden der Niederlande gehörte. Er richtete den Blick auf den blauen Mohairstoff von Christines ongezellig hartem Rücken: »Glauben Sie wirklich, dass er jemals wieder zurückkommt?«
    Christine drehte sich um. Ihre Augen blickten stumpf. »Was wollen Sie von mir?«
    »Warum schützen Sie Didier?«
    »Weil er mein Ehemann ist.« Es klang ziemlich emotionslos.
    »Ich will Sie ja nicht verletzen«, sagte Max. »Aber warum haben Sie eigentlich keine Kinder?«
    Christine setzte sich in einen Stuhl mit hölzernen Armlehnen und wandte sich an Kleiweg. »Warum sind Sie hier?«, fragte sie unvermittelt.
    »Ich bin in meiner Funktion als Verbindungsbeamter zur französischen Polizei hier«, antwortete Kleiweg. »In den Niederlanden wurde ein Mord begangen, und dies ist Sache der niederländischen Justizbehörden.«
    Starr erwiderte sie seinen Blick. »Kann schon sein, dass jemand ermordet wurde, aber das hat nichts mit der Erbschaft zu tun.« Sie schaute Max an. »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass wir das Testament für null und nichtig hätten erklären lassen können.«
    »Wir?«, fragte Max.
    »Wie meinen Sie?«
    Max setzte sich ihr gegenüber hin. »Ich dachte, Sie seien unter den üblichen Ehebedingungen mit Didier verheiratet. Ich fragte mich, wer wohl Erbe seines Vermögens ist, deshalb wollte ich von Ihnen wissen, warum Sie keine Kinder haben.«
    »Ich erbe Didiers gesamtes Vermögen«, antwortete sie. »Regulär nach dem Gesetz. So, wie er meines erben würde, wenn ich vor ihm sterben sollte. Wer sonst sollte es bekommen? Der Staat? Ich bin doch nicht verrückt. Didier hat keine anderen Erben.« Und bissig fügte sie hinzu: »Nein, wir haben keine Kinder.«
    Max schwieg eine Weile. »Hassten Sie Ihren Schwiegervater, weil er plötzlich diese anderen Erben ins Spiel brachte?«
    »Raymond?« Sie gab einen abfälligen Laut von sich und wandte ihren Blick nach draußen auf den Gürtel kahler Laubbäume und kalter Koniferen rings um die Weinkeller. »Sie schätzen Raymond wohl sehr hoch ein. Der heilige Raymond. Dieser salopard. Keine Frau war vor ihm sicher. Wenn Didier auf Reisen war …« Sie seufzte hörbar. »Er kam in mein Schlafzimmer, um mir ein Kind zu machen, weil Didier seiner Meinung nach nicht den Mumm dazu hatte. Ich habe ihm die Augen ausgekratzt. Das Schwein. Alle Lafonts sind Schweine.« Sie schloss die Augen und lehnte sich zurück, winkte in Richtung Tür.

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