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Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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fast blond wirkte. Man konnte sich vorstellen, dass er niemals krank werden, sondern einfach einschlafen würde, wie eine Kerze, die erlischt, weil die Substanz aufgezehrt und verbraucht ist. Hinstra schaute aus dem Fenster und sagte ironisch: »Kommt drauf an, welchen Alex Sie meinen.«
    »Alex Lafont, aus dem Waisenhaus in Hengelo.«
    »Alex war keine Waise, jedenfalls nicht, als er dort vor die Tür gelegt wurde. Vielleicht war seine Mutter unverheiratet oder zu jung, um für ihn sorgen zu können. 1952 sah die Welt noch anders aus, da gab es noch nicht so ein dichtes soziales Netz wie heute.«
    »Er war ein Findling?«, fragte Max erstaunt.
    »Ja, er lag in einem Körbchen, wie Mose. Dazu ein Zettel, auf dem in etwa stand: Das hier ist Alex Lafont, bitte sorgen Sie gut für ihn, denn ich kann es nicht.«
    »Und sein Geburtsdatum?«
    Hinstra schüttelte den Kopf. »Das haben sie ihm dort gegeben. Bei Findlingen ist das so üblich. Er war ungefähr einen Monat alt, also pickten sie einfach irgendein Datum vier Wochen vorher heraus. Meine Frau und ich klapperten die Waisenhäuser ab, weil wir ein Kind adoptieren wollten. Meiner Frau Hiske ist der Kleine sofort aufgefallen, er war ein so süßer kleiner Junge. Wir haben ihn offiziell adoptiert, als er sechs Jahre alt war. Von da an war er Alex Hinstra.«
    »Gab es da keine Probleme?«, fragte Max. »Ein Findling hat doch Eltern, oder zumindest eine Mutter, auch wenn sie ihn nicht haben will. Sie hätte ja ihre Meinung ändern können.«
    »Die Mutter hat nie mehr etwas von sich hören lassen. Man versuchte, sie ausfindig zu machen, aber damals war es einfacher als heute, unterzutauchen. Man ging davon aus, dass Lafont der Name des Vaters war, und auch, dass dieser wahrscheinlich unbekannt bleiben wollte. In den Niederlanden gibt es nur wenige Lafonts, in Frankreich dagegen kommt der Name so häufig vor wie bei uns Jansen. Die Mutter hätte sonst wie heißen können. Daher hat man die Suche bald aufgegeben. Das Waisenhaus machte keine Schwierigkeiten, die waren froh, dass wir Alex zu uns nahmen und sie ihn los waren.«
    »Sagt Ihnen der Name Ben Visser etwas?«
    Hinstra holte tief Luft und sagte zu Max’ Erstaunen: »Ich habe diesen Namen zum ersten Mal unter einem Foto von Alex gelesen, in einer Zeitung, im Mai diesen Jahres.« Es klang neutral, wie eine Information, die er aufgenommen und verarbeitet hatte.
    »Sie wissen also, was passiert ist«, sagte Max nach einer kurzen Stille.
    »Ja.«
    »Ist die Polizei bei Ihnen gewesen?«
    »Nein, die Polizei nicht.«
    »Fällt es Ihnen schwer, darüber zu sprechen?«
    »Nein, nicht mehr. Was hätte das für einen Sinn? Er ist tot.«
    »Ich arbeite für seine Witwe. Sie möchte wissen, warum ihr Mann ermordet wurde.«
    Hinstra nickte traurig. »Was ist sie für ein Mensch?«
    »Eine schöne Frau, eine Dame. Sie wirkt kühl, aber ich glaube, sie hat ihn sehr geliebt. Sein Tod hat sie stark mitgenommen, vor allem wegen der Begleitumstände.«
    Hinstra lächelte bitter. »Das kann ich mir vorstellen. Ich wusste, dass er verheiratet war, in Brabant wohnte und keine Kinder, dafür aber eine Fabrik hatte.«
    »Sie hatten also noch Kontakt zu ihm?«
    »Kontakt ist zu viel gesagt. Er hat mich einmal im Jahr besucht. An meinem Geburtstag, im April. Das erste Mal kam er vor sechs Jahren, und das war ein ziemlicher Schock, denn ich hatte ihn seit ungefähr zwanzig Jahren nicht mehr gesehen.« Der alte Mann rieb mit den Händen über die verschlissenen Kanten seiner Stuhllehnen.
    »Und Sie wussten nicht, dass er sich inzwischen Ben Visser nannte?«
    »Nein, woher sollte ich? Ein Sohn braucht doch keinen Pass oder Führerschein vorzuzeigen, wenn er seinen Vater besucht. Seinen Adoptivvater. Für mich war er Alex.«
    »Also haben Sie ihn im April dieses Jahres zum letzten Mal gesehen?«
    »Ja. Ich hätte gern einmal seine Frau kennen gelernt, aber Alex schob ein Treffen immer wieder hinaus. Ich hatte seine genaue Adresse nicht und konnte seine Telefonnummer nicht ausfindig machen, weil ich natürlich nach Hinstra suchte und nicht nach Ben Visser. Offenbar hatte er gute Gründe dafür, diesen falschen Namen anzunehmen. Aber es hat ihm nichts genützt.« Hinstra rieb sich über die Nase, auf der die Lesebrille Abdrücke hinterlassen hatte, die auf einem Buch auf der Fensterbank lag. »Ein Kirschbaum, der schon abgestorben ist, fällt nach einer Todesnachricht nicht einfach um«, sagte er stockend. »Sie werden sich sicher denken: Was

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