Isarbrodeln
Obwohl ich, ehrlich gesagt, gar keinen großen Appetit habe.«
»Wieso denn das? Sind Sie krank?«
»Nein, Frau Bauer. Ich habe heute Morgen einen guten Freund von mir tot aufgefunden. Giovanni, Sie kennen ihn auch. Vielmehr kannten …« Er ließ nachdenklich den Kopf hängen. Die unwirkliche Szenerie in seinem Lieblingsrestaurant hatte ihn den ganzen Tag über nicht mehr losgelassen.
»Was? Ja, um Himmels willen. Der nette Italiener, der immer zu Ihnen zu Besuch kommt?« Frau Bauer riss erschrocken ihre wasserblauen Augen auf.
»Genau der.«
»Was ist ihm denn geschehen?«
»Er wurde höchstwahrscheinlich ermordet.«
»Oh Gott.« Sie reichte ihm immer noch geschockt mit zitternden Händen den Kuchen. »Und jetzt?«, fragte sie, als er ihn entgegengenommen hatte.
»Wie und jetzt?«
»Suchen Sie seinen Mörder?«
»Eigentlich bin ich ja im Ruhestand, wie Sie wissen. Aber ich versuche es trotzdem, Frau Bauer. Habe vorhin schon ein paar sehr verdächtige Burschen erwischt. Die werden gerade bei der Polizei verhört.«
»Und? Waren sie es?«
»Ich denke schon. Aber ganz sicher bin ich mir nicht.« Er hob achselzuckend die Arme.
»Sie finden den Mörder. Wenn ihn jemand findet, dann Sie.« Sie machte eine Faust und schüttelte sie ostentativ vor ihrem dürren Oberkörper.
»Hoffen wir’s, Frau Bauer.«
»Ich mache Ihnen trotzdem das Gulasch warm. Sie müssen essen. Auch wenn Sie Sorgen haben. So eine Mörderjagd kostet Kraft.« Kopfschüttelnd und irgendetwas Unverständliches murmelnd, das wohl nicht für seine Ohren bestimmt war, drehte sie sich um und schlurfte langsam auf ihre offenstehende Tür zu.
»Na gut, Frau Bauer. Ich versuche es. Vielen Dank. Sie sollen aber wirklich nicht immer für mich mitkochen.«
»Tu ich doch gerne, Herr Raintaler. Es dauert nicht lange. Ich bringe es Ihnen dann rüber.«
»Ja, gut. Ich dusche derweil und ziehe mir ein paar trockene Sachen an.« Max fror jetzt zusehends. Gänsehaut machte sich überall auf seinen Armen und Beinen breit. Er begann zu schnattern, wie damals als kleiner Junge, wenn er zu lange im kalten Wasser geschwommen war.
»Tun Sie das. Nicht, dass Sie sich noch eine Erkältung einfangen in Ihrer leichten Bekleidung. Es ist noch nicht Sommer! Also, bis gleich.«
Die nette alte Dame betrat ihre Wohnung und der zweiundfünfzigjährige Exkommissar stellte sich endlich unter die heiße Dusche.
»Die gute Frau Bauer«, murmelte er, als er seinen Kopf kräftig mit Shampoo einseifte. »Schon schön, dass es sie gibt.« Seit er in die kleine Eigentumswohnung, die er vor zwei Jahren von seiner Tante Isolde geerbt hatte, gezogen war, kümmerte sich seine Nachbarin rührend um ihn. Schließlich war er der Neffe ihrer einst besten Freundin. Sie kochte für ihn, brachte ihm Schnittblumen aus dem Supermarkt mit und stellte ihm Hustensaft vor die Tür, wenn er erkältet war.
Max, dessen Eltern vor fünf Jahren bei einem Unfall gestorben waren, genoss die mütterliche Zuwendung zwar einerseits. Er ließ sich ja generell gern verwöhnen, sehr gerne auch von Monika, die zu seinem Leidwesen jedoch nur wenig Begeisterung für seinen ausgeprägten Hang zu Muse und Faulheit an den Tag legte. Auf der anderen Seite waren ihm Frau Bauers nett gemeinte Besuche an der Haustür aber manchmal fast schon zu viel. Vor allem am frühen Morgen.
Als er fertig geduscht hatte, kam ihm erneut der Tod seines Freundes in den Sinn. Bestimmt findet Franzi bei der Befragung dieser Lucabrüder etwas heraus. Aber was, wenn ich mich irre? Was, wenn sie es nicht waren? Möglich ist das natürlich auch. Warten wir es ab.
Er trocknete sich ab, ging in sein Schlafzimmer und zog dort frische Socken, Unterwäsche, seinen schwarzen Lieblingspullover und seine weißschwarz gestreifte Jeans mit den kleinen Löchern am Knie aus dem Kleiderschrank. Die T-Shirts und die anderen Pullover, die dabei mit herausfielen, stopfte er kurzerhand, so wie sie auf dem Boden lagen, wieder zurück. Gott sei Dank sieht Moni mich gerade nicht. Die würde mich bloß wieder anschnauzen und erst mal alles fein säuberlich zusammenlegen. Was soll’s? Männer und Frauen sind nun mal verschieden. Außerdem, was geht es sie eigentlich an? Doch wohl nicht das Geringste. Oder? Da sich die Tür, aufgrund seiner Schlamperei, nicht mehr richtig schließen ließ, drückte er sie mit aller Gewalt zu und sperrte blitzschnell ab.
»Na also. Geht doch!«, stellte er laut mit sich selbst sprechend fest und rieb sich zufrieden die
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