Isau, Ralf - Neschan 03
Galal wirklich sehr. Das riesige, sanfte Traumfeld hatte Gimbar wegen seiner früheren, oft nicht sehr freundlichen Äußerungen längst vergeben und bemühte sich nun nach Kräften die Qualen des kleinen Mannes in Grenzen zu halten.
Gimbar sagte während der gesamten Tauchfahrt kein Sterbenswörtchen. Allerdings war die stockfinstere, nach Fisch und Tang riechende Luftblase, die Galal um seine Freunde gebildet hatte, auch wirklich kein Ort, an dem sich befreit aufatmen oder gar unbeschwert plaudern ließ. Selbst Yonathan, Yomi und Sethur sprachen nur selten.
Mit Ausnahme von Sethur hätten Yonathans andere Gefährten auch auf der Weltwind bleiben können, aber sie hatten – starrköpfig, wie sie nun einmal waren – darauf bestanden mitzukommen. Yonathan fühlte sich ihnen verpflichtet. Sie hatten so viel für ihn getan! Sie verdienten es einfach, in dieser letzten großen Inszenierung, deren Bühne die Stadt Gedor abgeben sollte, eine Rolle zu spielen – auch, wenn es nur eine kleine war.
Galal tauchte kurz vor dem Morgengrauen auf. Die Luft in seiner Körperhöhlung war inzwischen abgestanden und stickig; jeder sehnte sich nach einer frischen Brise. Doch die Hoffnungen der Gefährten wurden enttäuscht. Allein Sethur hatte gewusst, was sie erwartete.
Selbst zu dieser nächtlichen Stunde schlug den vier Traumfeldfahrern ein schwülwarmer Dunst entgegen – und mit ihm kam eine Heerschar von Mücken.
»Ein schönes Zuhause habt Ihr!«, raunte Gimbar und schlug sich mit der Hand in den Nacken.
»Ruhe«, zischte Sethur. »Ihr könnt Euch beschweren, wenn wir in meinem Haus sind.«
Das Anwesen von Bar-Hazzats bedeutendstem Menschenjäger lag unmittelbar an der Innenseite der Stadtmauer Gedors. Es stand auf einem Felsrücken, der sich bis zum Schwarzen Turm hin erstreckte. In diesem Bezirk der Stadt wohnten die hohen Beamten und Militärs des dunklen Herrschers. Den weitaus größten Teil Gedors überzog jedoch ein verwirrendes Netz von Kanälen, und die meisten Behausungen ruhten auf Pfählen, die tief in den Schlamm getrieben waren.
Die Hauptstadt Temánahs lag an einem weiten Gewässer mit brackigem Süßwasser, ein schmaler Kanal verband es mit dem Großen Ozean. Außerhalb des Südreiches kannte niemand den Namen dieser vom Meer abgetrennten Bucht, genauso wenig wie irgendjemand sagen konnte, wie die Flüsse und Berge des Landes hießen. Ganz Temánah war ein feuchtheißes grünes Geheimnis, bevölkert mit allerlei giftigen, beißenden und stechenden Geschöpfen.
Gimbar musste seiner Anspannung Luft machen, nachdem er gerade erst der Platzangst im Inneren des Traumfeldes entronnen war.
»Wenn es in Eurem Haus einen Topf mit kühlender Salbe gegen diese Mückenstiche gibt, dann bin ich der Erste, der hineinsteigt – egal, wie groß er ist.«
Im Licht des abnehmenden Vollmondes bemerkte Yonathan Sethurs zornigen Blick. »Jetzt seid endlich still«, zischte er zu Gimbar. Der Falkengesichtige schwieg nun tatsächlich, leicht beleidigt.
Ein weiter schwarzer Bogen aus hartem Vulkangestein umschloss Gedor. Sethur zeigte stumm zur Zinne der hochragenden Mauer empor. Man konnte gegen die Scheibe des Mondes deutlich zwei Speere erkennen, die sich bewegten. Vermutlich hatte Bar-Hazzat ganz Gedor in Alarmbereitschaft versetzt.
Dann schlich Sethur voran und bedeutete den anderen ihm zu folgen. Galal hatte seinen Leib eng an die Felsen gedrückt, die an dieser Stelle steil ins tiefe Wasser abfielen; so konnten sie trockenen Fußes zu der verborgenen Pforte gelangen, die in das unterirdische Reich von Sethurs Anwesen führte.
Die Tür befand sich gut versteckt in einer Spalte am Fels, die man vom Wasser her leicht übersehen konnte. Sethur förderte einen Schlüssel zutage und machte sich an dem Schloss zu schaffen. In der Zwischenzeit sandte Yonathan seinem inselgroßen Freund noch einen letzten Gruß.
»Lebe wohl, Galal.«
»Werden wir uns wieder treffen, Yonathan?«
»Wenn Yehwoh will und ich Bar-Hazzat besiegen kann – nach der Weltentaufe.«
»Dann wird alles gut.«
»Ich danke dir für dein Vertrauen, Galal.«
»Schon gut, Yonathan. Ich bleibe hier und warte auf dich.«
Yonathan wollte in Gedanken noch etwas erwidern, doch er wusste nicht mehr weiter. Wann fand man schon einmal einen Freund, dessen Anhänglichkeit selbst über das Ende der Welt hinausreichte?
»Kommt, Geschan.«
Sethurs Stimme holte Yonathan in die Wirklichkeit zurück. Der Temánaher zog an einem Eisenring, worauf sich eine
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