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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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grinsendes Angesicht. Das Spiegelbild stand mit abgespreizten Armen vor einer dunklen Nische, als wollte es die Person darin mit irgendeinem Zauber am Fliehen hindern. Aber die eisigen Fußfesseln konnte das Drachenmädchen ohnehin nicht abschütteln.
    »Du bist in Eile?«, fragte der Schemen hörbar amüsiert.
    Tausend Gedanken schossen gleichzeitig durch Karls Kopf. Vielleicht war das der Grund, weshalb Edíyax ihn nicht sofort in Eis verpacken konnte. Er überging alle standesgemäßen Anredeformen und forderte: »Lass sie sofort frei!«
    Edíyax lachte. »Wir können ja tauschen. Ich gebe dir das Mädchen und du mir den Nox.«
    »Ich habe eine andere Idee.« Karl hatte das Zucken an seiner Seite richtig gedeutet. Wie ein Blitz schoss das Schwert in seine Hand. Mit drei schnellen Sätzen war er bei dem Schemen. In einer gleißenden Zickzacklinie fuhr die Klinge von oben nach unten durch Edíyax hindurch. Karls Augen waren geblendet. Er konnte den Schemen nicht mehr sehen, und so stieß er das Schwert in die Scheide zurück, um Qutopia zu Hilfe zu eilen. Doch da hörte er ein hässliches Lachen.
    »Hast du etwa gedacht, du könntest ein Spiegelbild mit einem Schwert erschlagen?« Edíyax' schlanke Gestalt tauchte erneut aus der Dunkelheit auf.
    Früher hätte sich Karl von einer solchen Niederlage wohl entmutigen lassen, doch jetzt wurde er nur noch entschlossener. »Einen Versuch war's wenigstens wert«, antwortete er trotzig. »Du hättest fliehen können. Aber jetzt ist meine Geduld mit dir zu Ende.«
    Es war ein Wagnis, das wusste Karl. Nicht um sich selbst machte er sich Sorgen, aber um Qutopía. Doch nur einen Moment. Sie war reinen Herzens, daran zweifelte er nicht. Das Spiegelbild Edíyax dagegen hatte im großen Thronsaal deutlich gezeigt, wie es die Macht des Nox einschätzte.
    Noch ahnte es wohl nicht, was Karl vorhatte, denn es grinste ihm hämisch entgegen, doch als er eine reinweiße Hand aus seiner Manteltasche zog, erstarrte das schöne kühle Gesicht. Für einen Augenblick wurde es so klar, dass man Xayi'des rotes und grünes Auge erkennen konnte. Beide waren weit aufgerissen.
    »Tu das nicht!«, hauchte Edíyax und riss in einer beschwörenden Geste die Arme hoch.
    »Warum nicht?« Karl ignorierte die beißende Kälte und begann das umgeschlagene Tuch an der Unterseite des Handschuhs zu öffnen.
    »Aber du weißt es doch längst, kluges Menschenkind«, schmeichelte der Schemen. Die samtige Stimme zitterte.
    »Ich möchte es aber von dir hören.«
    »Wie du befiehlst, Herr. Nur lass die schwarze Hand, wo sie ist.«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Edíyax ist doch nur das Spiegelbild von Xayídes Seele. Deshalb ist sein Wesen so unstet.«
    »Und daher ist es so düster wie ein Schatten. Solche Schemen sind die Leibspeise des Nox. Wusstest du das?«
    Edíyax schrie auf, weil Karl rasch den weißen Stoff von der Handwurzel des Dunkelsteins gestreift hatte. Während er dessen starre kalte Finger immer noch mit dem Einhorntuch festhielt, war ungefähr ein Drittel des Nox entblößt. Das reichte, um Xayídes Spiegelbild aufzusaugen. Man konnte zusehen, wie es heller wurde und gleichzeitig verblasste. Eine fahle Nebelwolke trieb zur schwarzen Hand hin, wurde rasch schmaler und verschwand schließlich ganz im Nox.
    Karl lief zu dem Drachenmädchen, das ihn mit offenen Armen empfing. »Geht es dir gut?«
    »Abgesehen von dem Klotz am Bein schon.« Sie schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn. »Du bist mein Held, Karl.«
    »Ich? Ein Held?« Er musste lachen, wurde aber schnell wieder ernst und betrachtete nachdenklich die eisige Fessel, die Qutopías Füße bis über die Knöchel bedeckte. »Ich möchte dich nicht gerne mit dem Brocken bis zur Turmspitze schleppen. Wie kriegen wir dich da am schnellsten heraus?«
    Sie versuchte zu springen, um das Eis auf diese Weise zu zerschlagen, aber es war zu schwer. Entmutigt schüttelte sie den Kopf. »Hast du nicht eine Meerschaumpfeife, die nie erlischt?«
    »Gehabt«, schnaubte er. »Ich musste sie am Grunde des Turms zurücklassen, weil ... Aber das ist eine andere Geschichte, die ich dir ein andermal erzähle. Warte.« Er verstaute den Nox rasch wieder in seiner Manteltasche. Dann legte er seine Hand über den Schwertgriff, und – siehe da! – es sprang bereitwillig heraus. »Das ist wirklich nett von dir.«
    »Mit wem sprichst du?« Das Drachenmädchen klang erstaunt.
    »Später, Qutopía. Alles später. Bleib schön so breitbeinig stehen, hörst

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