Isau, Ralf
Querolats.«
Albega warf die kleinen Arme hoch. »Etwa der Querolat? Der legendäre Weltreisende?«
»Sie kennen meinen Vater?«, fragte Qutopía sichtlich geschmeichelt.
»Ich wäre ein miserabler Bücherdrill, wenn ich noch nie etwas von dem Mann gehört hätte, der von jedem Land Phantásiens eine Karte besitzen soll.«
»Und weil du so belesen bist, brauchen wir deinen Rat, Griffelchen«, erklärte Herr Trutz. An die anderen beiden Gefährten gewandt fuhr er fort. »Bitte setzt euch doch. Holt euch den Sessel von da heran. Ich muss für eine Sekunde meine Bücher begrüßen.«
Karl und Qutopía wechselten einen Blick, sagten aber nichts. Inzwischen kannten sie ja die Marotten des Alten. Das Drachenmädchen ließ Albega auf ihre Hand klettern und setzte sich einfach auf den Schreibtisch. Karl humpelte zur seitlichen Regalwand, wo der Ohrenbackensessel stand. Zunächst befreite er sich von einer Last, die ihm seit Stunden nicht nur die Manteltaschen ausgebeult, sondern ihn auch auf eine andere, schwerer zu beschreibende Weise niedergedrückt hatte. Er legte den inzwischen wieder behandschuhten, aber nach wie vor eisigen Nox sowie das Duplikat auf ein Regalbrett und atmete auf. Die Tasche, in der er die schwarze Hand aufbewahrt hatte, war kalt wie eine Kühlkammer. Erleichtert schob er den hochlehnigen Sessel zum Schreibtisch.
Herr Trutz war derweil zur großen Bücherwand geschritten, die dem Fenster genau gegenüberstand. Er breitete davor die Arme aus und schwärmte: »Seid mir willkommen, meine Lieblinge. Ah, und wie ihr klingt! Hören Sie es auch, mein lieber Koreander?«
Karl musste schmunzeln. »Nein, aber ich rieche ihren Duft. Er ist sehr angenehm.«
»Ach ja, das hatte ich fast vergessen. Prächtig, nicht wahr?«
»Hier lässt es sich bestimmt angenehm arbeiten.«
Herr Trutz drehte sich um. »Das will ich wohl meinen. Ein bisschen werde ich das hier alles schon vermissen.«
»Wollen Sie immer noch ...?«
»Zu Hallúzina? Aber natürlich will ich das. So habe ich es beschlossen und versprochen.«
»Selbst wenn Sie dadurch zum Narren werden?«
Herr Trutz kehrte langsam zum Schreibtisch zurück und lächelte wie ein gütiger Großvater. »Mein lieber Karl – ich darf Sie doch so nennen, oder?«
»J-ja«, stotterte der. Trotz oder gerade wegen all der gemeinsam und auch füreinander durchstandenen Abenteuer überraschte ihn diese Frage.
»Sehen Sie, Karl, jeder muss für sich lernen, die Folgen seiner Entscheidungen zu tragen, egal ob sie nun gut oder schlecht sind. Je eher er sich über seine Schwächen und Fehler klar wird, desto leichter wird es ihm fallen, mit ihnen zurechtzukommen. Mein Entschluss ist es, gemeinsam mit Hallúzina auf dem Weg des Lebens in den Sonnenuntergang zu wandern. Und mir ist es ganz egal, wie andere das Wort Glück buchstabieren, ob sie mich einen alten Narren heißen oder über mich den Kopf schütteln. Es gibt immer den breiten, ausgetretenen, bequemen Weg, den alle gehen, obwohl er nur im Kreise führt. Wer diesen Weg wählt, wird fast nie anecken. Man kann es aber auch ganz anders machen.«
Herr Trutz zwinkerte Karl zu, dem es in diesem Moment wie Schuppen von den Augen fiel. Der Alte hatte ihn gerade an sein Lebensprinzip erinnert, das wie eine geheime Botschaft ganz unten auf dem Vermächtnis in der Dokumentenmappe verborgen gewesen war, die er seinem Nachfolger im Buchladen zurückgelassen hatte.
»Leider unterlaufen einem dabei manchmal dumme Schnitzer«, seufzte Karl.
Herr Trutz ließ sich schwer in seinen Schreibtischstuhl sinken, stützte die Rechte auf den Gehstock und nickte. »Das gehört dazu. Aber Sie haben Ihre Aufgabe, wie ich finde, prächtig gemeistert – was ich offen gestanden auch nicht anders erwartet hatte.«
»Ich muss Ihnen etwas beichten, Herr Trutz. Die schwarze Perle, die ich hier in der Bibliothek gefunden habe ...«
Der Alte nickte. »Die Gewogenen Worte. Was ist damit?«
»Sie sind weg.«
»Das ist kaum möglich. Oder waren Sie zwischenzeitlich in der Äußeren Welt und haben sie dort bei einem Pfandleiher versetzt?«
»Mir ist nicht zum Scherzen zumute, Herr Trutz.«
»Sagen Sie bitte Thaddäus zu mir, Karl.«
»Hören Sie mir überhaupt zu?« Karl hatte in seiner aufwallenden Verzweiflung die Stimme gehoben, ließ nun jedoch den Kopf hängen. Qutopía beugte sich mit besorgter Miene vor und legte ihm eine Hand auf den Arm.
Herr Trutz überhörte den scharfen Ton. Seine Stimme klang jetzt ungewöhnlich weich. »Ja, mein
Weitere Kostenlose Bücher