Isau, Ralf
Äußeren und der Inneren Welt hinund herwechseln? Die Unaussprechlichen wollen Phantásien zerstören. Ich würde zu gern verstehen, was sie daran so sehr stört, dass sie es im Nichts versinken lassen wollen.«
»Sehen Sie sich unsere Bibliothek genau an, Karl, dann werden Sie es begreifen.«
Karls Blick schweifte zu den Büchern. Mit einem Mal nickte er. »Alles hier ist Licht gewordene Schöpferkraft. Damit werden Veränderungen hervorgebracht.«
»Und Irrtümer aufgedeckt.«
»Aber Lüge, Hass, Wut, Streit und Gier denken nicht daran, andere vorwärtszubringen. Die Unaussprechlichen leben in ihrer eigenen Innenwelt.«
»Einem Refugium, in dem das Nichts regiert, die Stille des Todes. Alles was ihre Ruhe dort stört, wollen sie vernichten.«
Qutopía rieb sich die Oberarme. »Jetzt hört aber auf mit diesen Schauergeschichten. Macht lieber einen Vorschlag, wie wir Gmork das Handwerk legen können.«
»Er will mich«, sagte Karl unvermittelt.
Alle sahen ihn verständnislos an. »In aller Bescheidenheit gefragt: Warum gerade Sie und nicht mich?«, gab Herr Trutz zu bedenken.
»Weil Sie zu schlau für ihn sind. Gmork braucht ein Menschenkind, um die zwei Hälften seines Herzens zusammenzubringen. Die Meisterbibliothekare der Phantásischen Bibliothek sind immer Adamssöhne gewesen.«
»Oder Evastöchter«, erklärte Herr Trutz.
»Deshalb hat er hier nach jemandem gesucht der für ihn den Nox in die Äußere Welt trägt, weil er selbst es nicht vermag. Vermutlich hatte er Sie ausspioniert, weil er versuchen wollte, Sie ohne Ihr Wissen für seinen Plan zu gewinnen. Aus diesem Grund ist er vor dem Buchladen aufgekreuzt. Alles mag schon weit gediehen gewesen sein, aber dann kam ich, und Sie verschwanden durch Ihre geheime Bibliothek nach Phantásien, wo sie sich an Gmorks Fersen hefteten. Um mir den Weg in die Innenwelt zu versperren, versuchte er das Tor mit Feuer zu zerstören, aber die unsichtbaren Wächter haben es beschützt. Das dürfte ungefähr der Zeitpunkt gewesen sein, an dem der Werwolf seine Pläne änderte.«
»Inwiefern?«
»Überlegen Sie bitte, Thaddäus: Uns beide hat im Abstand von einem phantásischen Jahr jeweils eine Pfeilviper vom Himmel geholt. Vermutlich war der Waldschrat Skrzat genauso von Gmork gedungen wie Elster und seine Wechselbalge, die sich in Sammelraben verwandeln, hier die Bücher in schwarze Perlen einschließen und sie zu ihm bringen. Jetzt wollte Gmork um jeden Preis verhindern, dass Sie ihm in die Quere kommen, denn er hatte mich entdeckt, den Zauderer, den Unentschlossenen, den leicht zu Verführenden ...«
»Der Sie aber nur in Ihrer eigenen vernagelten Vorstellung waren.«
»Danke.«
»Keine Ursache. Gmork hat sich in Ihnen gründlich getäuscht, mein lieber Freund.«
»Und nun muss er es mit zwei Bibliothekaren aufnehmen.«
»Meisterbibliothekaren.«
»Jetzt übertreiben Sie.«
»Doch, doch, wenn ich Meisterbibliothekar sage, dann meine ich auch ...«
»Vielleicht könntet ihr beiden endlich damit aufhören, euch Honig um die Nasen zu schmieren, und lieber einen Vorschlag machen, wie wir diesen räudigen Wolf zur Strecke bringen«, mischte sich Qutopía abermals ein.
Albega stimmte ihr durch heftiges Nicken zu.
»Verräter«, knurrte Herr Trutz in Richtung des Bücherdrills.
Der ging zum Gegenangriff über. »Ich schlage vor, unsere Honigschnute stellt sich freiwillig als Köder zur Verfügung.«
Qutopía sog erschrocken die Luft ein.
»Das kommt überhaupt nicht in Frage«, sagte Herr Trutz kopfschüttelnd.
»Albega hat Recht«, verkündete dagegen Karl.
Das Drachenmädchen eilte an seine Seite und hielt sich an seinem Arm fest. »Aber du kannst doch nicht...«
Karl sah sie traurig an. »Doch, ich kann. Und ich muss, Qutopía. Es ist der einzig vernünftige Weg, etwas gegen die Unaussprechlichen und ihren Plan zu unternehmen. Gmork ist ihr Werkzeug. Wenn wir ihn zu Fall bringen, wird auch Gogams Plan scheitern.«
Qutopía funkelte Herrn Trutz an. »Jetzt sagen Sie doch mal etwas, Meister. Sie sind in dieser Bibliothek schließlich der Bestimmer. Karl kennt sich in Phantásien noch viel zu wenig aus ...« Karl nahm ihre Hand und begann sie zu streicheln, bis sie schließlich verstummte. Mit Tränen in den Augen sah sie ihn an. »Was ist?«
»Wenn Thaddäus dem Gmork folgt, wird der misstrauisch werden. Der Werwolf erwartet vielmehr, dass ihm der junge, dumme Karl auf den Leim gegangen ist und ihm den Nox bringt.«
»Du bist nicht dumm. Und
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