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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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über.
    Also doch ein Albtraum!, schoss es Karl durch den Kopf. Ihm war speiübel, aber so sehr er sich auch wünschte, endlich zu erwachen, die Luftreise wollte kein Ende nehmen. Sie hatte ja auch gerade erst begonnen.

    ∞
       
    Waldschrate galten in Phantásien allgemein als durchtriebene Wesen, denen man besser aus dem Wege ging. Insofern war Skrzat eine Zierde seiner Art. Er liebte es, boshaft zu sein. Allein die Vorfreude auf irgendeine Teufelei gab ihm immer wieder neue Kraft, um geduldig Wache zu halten – jetzt schon fast ein ganzes Jahr.
    Skrzat hatte weder Vater noch Mutter im üblichen Sinn. Er war aus einer Mandragorawurzel hervorgegangen und stand dieser an Missgestalt in nichts nach. Sein verhutzelter, nur mit einem Lendenschurz bekleideter Körper war nicht größer als der eines Luchses, von dem er auch die Krallen besaß; seine langen Arme dagegen erinnerten eher an einen Affen. Er hatte feuerrote Haare, die ihm wie lange Igelstacheln vom Kopf abstanden, sowie zwei spitze Hörner, welche von einem Gemsbock zu stammen schienen. Obwohl Skrzat fliegen konnte, lief er vorzugsweise auf seinen Krähenfüßen durch den Wald. Gern benutzte er auch seine Krallenhände, um flink wie ein Eichhörnchen durch die Baumkronen zu klettern. Allein seine schrathafte Natur machte ihn schon zu einem gefährlichen Jäger, aber Skrzat besaß darüber hinaus ein besonderes Talent, mit dem er seinen Herrn auf Anhieb begeistert hatte: Er war ein geschickter Bogenschütze, der eine Beute aus größter Höhe vom Himmel holen konnte.

    ∞
       
    Auf dem Rücken des Greifs durch die Lüfte zu sausen war ein unvergleichliches Erlebnis. Nicht ohne Befriedigung stellte Karl eine gewisse Gewöhnung fest, die fast schon an Wohlbehagen grenzte. Nachdem sich Huschhusch erst einmal emporgeschwungen hatte, benutzte sie ihre mächtigen Schwingen erstaunlich sparsam. Trotzdem schoss sie wie ein Pfeil dahin. Wäre da nicht der eisige Wind gewesen, der Karl dazu zwang, den Mantelkragen bis zur Nasenspitze hochzuklappen, er hätte angesichts des ruhigen Dahingleitens schwören können, nicht der Greif flöge über, sondern die Landschaft glitte unter ihm hinweg. Er musste daran denken, was Albega ihm auf dem Weg zum Fuß der Phantásischen Bibliothek über die Geografie dieser Welt erzählt hatte, über die wechselnden Himmelsrichtungen, die sich verändernden Grenzen und Entfernungen. Der Bücherdrill meinte zudem, die Greife flögen fast so hoch wie Kollek-Tiben oder Glücksdrachen. Dadurch werde die Landschaft unter ihnen winzig klein. Diesem Umstand verdankten sie ihre außergewöhnliche Fähigkeit, große Entfernungen in kürzester Zeit zurückzulegen. Karl hatte Albega reden lassen. Jetzt erschien ihm dessen seltsame Logik gar nicht mehr so abwegig.
    Die Landschaft hatte sich rasch verändert. Hinter den lieblichen grünen Hügeln erstreckte sich eine weite Steppenlandschaft. Dann verdeckten für mehrere Stunden dunkle Wolken den Blick nach unten. Die Sonne näherte sich allmählich dem Horizont. Weil Karl trotz des Mantels immer stärker fror, wollte er Huschhusch schon zum Landen bewegen, als unter ihm plötzlich die Wolkendecke aufriss und er das Meer der Träume sah. Es war rosarot. Notgedrungen musste er weiter auf dem Rücken der dahinzischenden Greifendame ausharren. Plötzlich sah er Land. Eine Insel.
    Ein warmes Feuerchen und ein wenig ausruhen – so würde er neue Kraft schöpfen. Mit dieser Vorstellung blickte er sehnsüchtig dem dunklen Streifen entgegen, der rasch näher kam. Doch er wurde abermals enttäuscht.
    Es musste die schwimmende Wüste Karzim sein, die Albega erwähnt hatte. Karl glaubte Dünen und sogar Oasen ausmachen zu können, aber alles sah aus wie Puderzucker. Die Karzim war zu Eis erstarrt. Wenn sie tatsächlich einmal ein Backofen gewesen war, was konnte dann diesen Klimawechsel herbeigeführt haben?
    Nun war Karl sogar erleichtert, als die Eisund Schneewüste endlich hinter ihm zusammenschrumpfte und schließlich als kleiner Punkt im rosafarbenen Meer verschwand. Die Dämmerung setzte ein. Noch immer war kein Landeplatz in Sicht.

    ∞
       
    Karl schreckte hoch. Er musste eingenickt sein. Seine Hände waren starr, wie festgefroren in Huschhuschs Gefieder. Dank ihres ruhigen Flugs saß er immer noch fest im Sattel. Ein Schauer rann seinen Rücken herab. Nicht auszudenken, was geschehen wäre ...
    Seine Gedanken blieben einen Atemzug lang stehen. Er zwang sich, trotz des eisigen Gegenwinds die

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