Isau, Ralf
ziehen. Es gelang ihm nicht. Allerdings stellte er fest: »Es ist ja federleicht!«
Karl nickte. »Weder für Euch, Hoheit, noch für Wolkenburg stellt es die geringste Gefahr dar.«
»Was haben Sie noch dabei?«
Karl krempelte seine Taschen um und breitete den Inhalt auf dem Fußboden aus.
Die Uhr befand der König für unbedenklich. Die mittlerweile schon recht ramponiert aussehende Generalvollmacht ebenso. An dem Taschentuch zeigte er schon gar kein Interesse. Nur die Perle, die zog noch immer seine begehrlichen Blicke wie magisch an. Ratlos schüttelte er den Kopf. »Ich verstehe das nicht.«
Mit einem Mal hellte sich Herrn Trutzens Miene auf. Angesichts der dramatischen Situation erschien Karl die irgendwie verschlagen anmutende Heiterkeit des Meisterbibliothekars unangemessen. Auch dem König entging sie nicht.
»Warum grinsen Sie so, Trutz?«
»Vielleicht, weil ich weiß, wie man Eure Stadt retten kann.«
»Ach was! Dann spucken Sie es schon aus. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
»Aber unsere – wie nanntet Ihr es? – Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen.«
»Guter Mann, ich bin fürwahr ein leidenschaftlicher Imagináriensammler, aber selbst die kostbarste Perle kann Wolkenburg nicht aufwiegen.«
»Wer vermag das schon zu sagen?«, entgegnete Herr Trutz geheimnisvoll. »Dann seid Ihr also bereit, auf die Perle zu verzichten und uns trotzdem nach Kräften zu unterstützen?«
»Nein!«
»Also gut.« Herr Trutz wandte sich Karl zu. »Geben Sie dem König die Perle.«
Karl wich alle Farbe aus dem Gesicht. Seine Augen waren weit aufgerissen. »Was?«
»Sie sollen Seiner Majestät sehnlichsten Wunsch erfüllen.«
Fassungslosigkeit ergriff von Karl Besitz. Er konnte nicht glauben, was man da von ihm verlangte. Am liebsten wäre er mit seinem Schatz aus dem Kristallpalast geflohen, aber in dieser Stadt, die auf einer Wolke schwebte, wären die Aussichten für ein Entkommen wohl ziemlich gering. Obwohl schließlich seine Vernunft siegte, kostete es ihn trotzdem große Überwindung, den Arm auszustrecken. Seine Hand zitterte – bis Kumulus ihm das Taschentuch samt Perle entrissen hatte.
»Danke«, sagte der König.
»Keine Ursache«, knurrte Karl. Seltsam, dachte er. Natürlich sehnte er sich noch immer nach seinem Schatz, aber eben noch hatte er geglaubt, zerspringen zu müssen, wenn er ihn hergeben müsste. Das Gefühl eines unersetzlichen Verlustes stellte sich jedoch nicht ein.
Kumulus wandte sich wieder dem Bibliothekar zu. »Nun zur weiteren Abwicklung unseres Geschäfts: Sie verraten mir, wie wir Wolkenburg wieder auf Kurs bringen, und ich beantworte Ihnen nach bestem Wissen und Gewissen alle Fragen, die Ihnen noch auf der Seele brennen.«
Die Erwiderung von Herrn Trutz kam wie aus der Pistole geschossen. »Einverstanden. Könnten Sie dann bitte das Vergrößerungsglas herbeischaffen lassen?«
»Das hat Zeit bis nach der Rettung, Trutz.«
Der Meisterbibliothekar schüttelte langsam den Kopf. »Nein, es ist ein Teil von ihr.«
Der König blickte irritiert auf seine Rechte, in der er das Taschentuch mit der Perle hielt. Dann erteilte er !Wirstuwol einen entsprechenden Befehl. Während der Protokollmeister die Lupe holte, führte der König die Besucher zu einem Lesetisch, der in einem abgelegenen Winkel unter dem bizarr geformten Dach des Kristallpalastes stand und sonst zum Studium von Fachliteratur benutzt wurde.
Herr Trutz sah sehr besorgt aus, als er den König fragte: »Wenn die Perle uns unter der Lupe das zeigt, was ich vermute, müssen wir sehr schnell abreisen, Majestät.«
»Wollen Sie damit andeuten ...?«
Der Bibliothekar nickte. »Nein!«
»Ich fürchte, doch.«
»Tun Sie mir das nicht an«, jammerte Kumulus.
Karl und Qutopía tauschten verwunderte Blicke.
»Nicht ich habe mir die Bedingungen dieses Handels ausgesucht«, antwortete Herr Trutz aufgeräumt. »Ihr wolltet die Perle unbedingt haben. Jetzt reißt sie Euch und Eure ganze Stadt in den Untergang.«
»Vielleicht irren Sie sich.«
»Wir werden es gleich wissen.«
Kumulus seufzte und schüttelte verzweifelt sein inzwischen wieder bekröntes Haupt. Mit einem untröstlichen Blick in Qutopías Richtung verkündete er: »Sosehr es mich schmerzt, aber sollte die Perle etwas mit der bedrohlichen Lage zu tun haben, in der sich mein Reich befindet, müsste ich Sie bitten, uns so schnell wie möglich von ihr zu befreien.«
»Ihr könnt Euch voll und ganz auf Herrn Trutz verlassen. Er wird Eure Wolkenstadt
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