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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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wiederentdeckt. Aber nicht das von Ihnen genannte, das ich, nebenbei bemerkt, sehr schätze. Es kann ja auch gar nicht anders sein.«
    »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr.«
    »Ach was!«, entfuhr es Kumulus. »Und ich dachte, wir hätten das Thema erschöpfend behandelt. Wenn das von Ihrem Bücherdrill vermisste Werk da in der Perle wäre, dann befände es sich noch in Phantásien ...«
    «... und in diesem Fall könnte es in der Lücke kein Nichts geben«, vollendete Karl die Schlussfolgerung. Schlagartig waren ihm die Zusammenhänge klar geworden.
    »Jetzt hat er's kapiert«, sagte Kumulus zu Herrn Trutz und blickte wieder sehnsüchtig auf die Perle.
    Der Bibliothekar nickte. »Ob Ihr's glaubt oder nicht, Majestät, aus ihm wird noch ein tüchtiger Meisterbibliothekar werden.« Danach deutete er auf das Vergrößerungsglas und sagte zu Karl. »Wollen Sie selbst mal schauen?«
    »O ja!«
    Karl setzte sich vor die Lupe, nahm das Monokel entgegen und brachte es in die richtige Position. Die Vergrößerungswirkung war enorm. Die Perle sah wie ein riesiges Goldfischglas aus, allerdings schwommen keine Tiere darin, sondern etwas, das im ersten Moment nur wie ein langer knotiger schwarzer Faden aussah, der aufgespult in dem klaren Gefäß schwamm. Karl drehte das Taschentuch unter der Lupe, um die winzige Schnur besser betrachten zu können; sie folgte der Bewegung nur träge. Je länger er durch die Linse starrte, desto mehr Details nahm er wahr. Der Faden wurde zu einer Kette. Bald konnte er einzelne Buchstaben erkennen und dann sogar ganze Zeilen lesen, die sich spiralförmig in der perle wanden. Gleich am Anfang stand der Titel des eingesperrten Buches.
    »Gewogene Worte.«
    »Von Romeo Oratore. Ein Sonettenkranz: Fünfzehn Klinggedichte. Vermisst gemeldet in der ›Abteilung für verschüttete Werke‹«, erklärte Herr Trutz, warf seine Liste der verschwundenen Titel auf den Tisch und stach seinen Zeigefinger in einen Namen. »Da ist es.«
    »Mit einem Stern gekennzeichnet«, stellte Karl fest, nachdem er den Eintrag kontrolliert hatte.
    »Gewogene Worte?«, wiederholte Kumulus den Namen des Sonettenkranzes. »Ich hoffe doch sehr, sie wurden als zu leicht empfunden.«
    Herr Trutz schüttelte den Kopf. »Ganz im Gegenteil, Majestät. Es ist ein äußerst gewichtiges Werk, das sich irgendwo unentdeckt in der Äußeren Welt verstecken muss. Eines von der Sorte, die erheblich mehr wiegen als das Papier, auf das sie gedruckt sind.«
    Das Regenbogengesicht des Königs wurde abermals aschfahl. »Deshalb geht unser Reich zugrunde.«
    »Dazu werden wir es nicht kommen lassen, Majestät. Wir reisen sofort ab und nehmen die Perle mit.« Herr Trutz klatschte in die Hände. »Prächtig! Jetzt haben wir zumindest eine heiße Spur.«
    Je länger Karl das gefesselte Buch aus der Phantásischen Bibliothek nicht mehr am Körper trug, desto unbeschwerter fühlte er sich. Es schien, als sei ein Fluch von ihm abgefallen. In dem Maße, wie die Gier nach der schwarzen Perle von ihm schwand, drängte sich erneut ein anderes Verlangen in den Vordergrund, bis es sich schließlich Gehör verschaffte. Verstohlen zog er die Generalvollmacht aus der Innentasche des Mantels hervor, deutete darauf und sagte: »Dann kommen Sie ja ab jetzt ohne mich klar, und ich kann bei nächster Gelegenheit in die Phantásische Bibliothek zurückkehren. Nehmen Sie die Perle am besten gleich an sich. Seine Hoheit Kumulus IL. wird mir bestimmt ohne große Umstände ein Transportmittel besorgen können. Wäre es möglich, dass Sie mir nur kurz das Dokument unterschreiben, damit...?«
    »Schnickschnack! Dazu fehlt uns die Zeit. Außerdem kommen Sie mit.«
    »Aber...«
    »Mitgefangen, mitgehangen.«
    »Sie haben eine wirklich erfrischende Art, einem Mut zu machen. Ich bin Ihnen doch nur ein Klotz am ...«
    »Stecken Sie die Perle gut weg, Herr Koreander.«
    Karl stöhnte und warf den Kopf in den Nacken. Hoch über sich vernahm er ein Flattern. Er spähte unter das Dach des Kristallpalastes und entdeckte auf einer Verstrebung einen Vogel, der sich durch eine der Windöffnungen verirrt zu haben schien. Er war größer als ein Spatz, aber kleiner als eine Krähe. Karl beschlich ein ungutes Gefühl. Er hielt sich das Magieskop vors Auge, um den schwarz gefiederten Zaungast dadurch zu betrachten, und erstarrte. In diesem Moment flatterte der Vogel durch eines der Fenster davon.
    »Was haben Sie im Monokel gesehen?«, fragte Herr Trutz. Seine Stimme klang

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