Isau, Ralf
retten«, erklärte Karl im Brustton der Überzeugung – für sich selbst schmiedete er bereits andere Pläne.
Der Meisterbibliothekar bedachte ihn mit einem strengen Blick, wandte sich jedoch gleich wieder an den König. »Ich will Euch nicht zu nahe treten, Majestät, aber Ihr habt in Eurer Sammlung einige Kostbarkeiten, die man nicht auf jedem Markt bekommt. Greift Ihr gelegentlich auf... Berater zurück, die Euch zu den Stücken verhelfen?«
»Berater?«
»Er meint Diebe. Oder Schmuggler«, übersetzte Qutopía die Frage von Herrn Trutz.
»Ich bin ein Staatsoberhaupt«, entrüstete sich Kumulus.
»Er meint, ja«, dolmetschte abermals das Drachenmädchen.
Der Bibliothekar nickte ihr dankbar zu. »Keine Angst, ich werde keine Anzeige im Elfenbeinturm erstatten, Majestät. Dies ist eine besondere Situation, die schnelles und entschlossenes Handeln erfordert. Nach allem, was wir nun wissen, bin ich überzeugt, dass irgendjemand mit Hilfe der schwarzen Perlen Bücher aus der Bibliothek stiehlt, aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ihm das gelingt. Unser Turm wird schärfstens bewacht. Derjenige muss ein Meister seines Faches sein. Ist Euch jemand bekannt, der uns da einen Tipp geben könnte?«
»Da fällt mir spontan nur einer ein. Ich kenne ihn nur vom Hörensagen.«
»Selbstverständlich. Wie heißt er? Wo finden wir ihn?«
»Elster. In Kleptonia.«
»Der Nachtstadt?«
»Ja.« Der König wurde immer einsilbiger.
»Ich hörte, die Nachtstadt sei sehr schwer zu finden. Können Sie uns den Weg dorthin ...?«
»Nein«, schnitt ihm Kumulus sichtlich gereizt das Wort ab.
»Es wäre aber sehr wichtig.«
»Elster schickt hin und wieder einen seiner Mitarbeiter zu uns. Weder ich noch sonst jemand aus Wolkenburg haben je mit ihm persönlich gesprochen oder gar seine Stadt der Diebe besucht.«
»Qutopía«, richtete Herr Trutz das Wort an die Pilotin, »wären Sie in der Lage, Kleptonia zu finden?«
»Ich kann jeden Ort in Phantásien anfliegen. Allerdings müsste ich einen Blick in Vaters Karten werfen.«
»Tun Sie das bitte. Wir treffen uns dann in Kürze bei der Fuchur.«
Das Drachenmädchen nickte, verabschiedete sich kurz vom König – Kumulus' trauriger Miene nach zu urteilen, viel zu kurz – und entschwand in Begleitung eines Leibgardisten in Richtung Palastgarten.
Dabei kreuzten sich ihr und !Wirstuwols Wege. Der Protokollmeister brachte keuchend eine Lupe in den Saal, die fast so groß war wie er selbst. Sie hing in einem silbernen Ständer.
Nachdem Kumulus seinen Ratgeber mit neuen Instruktionen wieder fortgeschickt hatte, erklärte er seinen Gästen: »Diese Lupe vermag viel stärker zu vergrößern als eine mit normalem Glas. Die Linse besteht aus ...«
»Dafür fehlt uns die Zeit, Majestät«, unterbrach ihn Herr Trutz, setzte sich an den Tisch und streckte die Hand zum
König aus.
»Was ist?«, fragte Kumulus mit Unschuldsmiene.
»Die Perle, Majestät.«
Der König seufzte einmal mehr und hielt Herrn Trutz das an den vier Ecken wie ein Säckchen zusammengehaltene Taschentuch hin. Für kurze Zeit fand ein verbissenes Tauziehen zwischen den beiden statt, jeder zog an seinem Ende des provisorischen Schatzbeutels. Dann entriss der Mann dem Luftikus die Beute.
»Danke«, brummte Herr Trutz und breitete das weiße Taschentuch mit der Perle auf dem Tisch aus. Karl bemerkte, wie der Meisterbibliothekar kurz innehielt. Spürte auch er in diesem Moment die magische Anziehungskraft des schwarzen Kügelchens? Dann ging ein Ruck durch den Körper des alten Mannes, und er brachte sein Magieskop mit sicherer Hand in den richtigen Abstand zwischen seinem Auge und dem Vergrößerungsglas.
»Prächtig!«, stieß er gleich darauf hervor.
»Was haben Sie entdeckt?«, fragte Karl.
»Die Bestätigung unserer Annahme. Den Trick, mit dem sie die Bücher aus der Phantásischen Bibliothek herausschmuggeln. Eines davon ist tatsächlich hier drin.«
Karl lächelte wissend. »Ist es zufällig von Immanuel Kant und heißt Die lebendigen Kräße der Gedanken und ihre wahre Schätzung?«
»Wie kommen Sie darauf?« Herr Trutz wirkte erstaunt.
Aus Karls Lächeln wurde ein Grinsen. »Wenn ich mich nicht irre, war das der Titel des Werkes, dessen Verschwinden Albega beklagt hatte.«
Der Meisterbibliothekar sah betroffen aus. »Das haben sie auch gestohlen?«
Irgendetwas an dieser Reaktion irritierte Karl. »Ich dachte, Sie hätten das Buch da in der Perle gefunden.«
»Ich habe ein vermisstes Werk
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