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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Bretterwand. Ich finde ein Astloch und spähe hinein.
    Diesen Teil der Scheune nutzt Tobias offensichtlich als Lager für seine Schrotteile, ich kann seinen Rücken sehen, er beugt sich über eine Kiste, scheint nach etwas zu suchen.
    Â»Heute nicht, okay?«, höre ich ihn sagen.
    Â»Und wieso auf einmal nicht?«
    Â»Weil ich mit Luzifer schon genug Ärger an der Backe habe und noch mehr Ärger kann ich nicht brauchen. Außerdem habe ich einen Auftrag und der muss fertig werden. Im Gegensatz zu dir muss ich irgendwie meinen Lebensunterhalt verdienen.«
    Â»Mann, bist du heute scheiße drauf.«
    Â»Ja, das bin ich, verdammt noch mal. Ist mein gutes Recht. Was glaubst du, wie ich dieses spießige Nest hier satthabe. Ich habe keinen Bock mehr darauf, der Sündenbock für alles zu sein. Luzifer hat dieses dämliche Schaf nicht gekillt, aber für alle ist klar, dass nur er es gewesen sein kann. Wer schon Luzifer heißt …«
    Tobias hat gefunden, was er sucht, er geht damit in den Mittelteil der Scheune, wo ein halb fertiges Schrottwesen steht.
    Â»Hey, reg dich ab. Dann crosse ich eben alleine los.«
    Â»Tu, was du nicht lassen kannst«, brummt Tobias, »du weißt ja, wo alles ist.«
    Ich höre Schritte auf dem Kies knirschen und presse mich mit dem Rücken flach an die Bretterwand. Kai läuft schräg über den kleinen Hof auf ein im rechten Winkel zum Haupthaus stehendes massives Nebengebäude mit zwei Garagentoren zu. Er öffnet eines der Tore und verschwindet darin, als wäre er hier zu Hause. Ich habe Glück, dass er mich nicht gesehen hat, ein einziger Blick von ihm nach links hätte genügt.
    Flugs sprinte ich geduckt zum großen Schrotthaufen, hinter dem ich mich gut verstecken und den Hof besser überblicken kann. Nur wenige Minuten später kommt ein von oben bis unten in weiß-grünes Leder gekleideter Kai aus der Garage. Er hat einen Sturzhelm auf und schiebt eine grüne Crossmaschine neben sich her. Ich ducke mich hinter den Schrott. Gleich darauf höre ich, wie Kai den Motor anlässt. Er fährt an mir vorbei, einen ausgefahrenen Weg zwischen Scheune und Garage in Richtung Waldrand, und ist kurz darauf vom Grundstück verschwunden.
    So ist das also! Diese Entdeckung haut mich beinahe um. Verdammt, Kai, wie kannst du mir das nur antun? Sinnlos kreuz und quer im Wald herumcrossen, die Tiere zu Tode erschrecken und seltene Pflanzen platt walzen. Warum machst du das? Um mir eins auszuwischen? Um dich am Wald zu rächen, der mich dir wegnimmt? Den du nicht verstehst?
    Und nun weiß ich auch, warum niemand die Moto-Crosser im Dorf sieht: Weil sie von Tobias Zackes Grundstück aus in den Wald fahren, ohne dabei durchs Dorf zu müssen. Ich bin wütend und neugierig und meine Wut macht mich waghalsig.
    Geduckt schleiche ich mich weiter zur Garage und schlüpfe hinein. Der nach Motoröl riechende Raum mit den weiß gekalkten Wänden ist verblüffend aufgeräumt und beherbergt zwei funkelnde Crossmaschinen ohne Nummernschilder. Werkzeuge liegen säuberlich sortiert in den Regalen, Rahmenteile und ein Satz neue Reifen hängen an der Wand. In der Ecke steht ein Spind, die Tür ist offen, die Fächer sind leer bis auf ein paar Lederhandschuhe. Hier lagert Kai offensichtlich seine Lederkluft, die Stiefel, Helm und Handschuhe. Clever. So kann ihm zu Hause niemand auf die Schliche kommen. Clemens, Tobias und Kai – hier basteln die Jungs also völlig ungestört an ihren Maschinen. Hier verbringt Kai seine Zeit, während ich im Wald unterwegs bin. Wir haben beide unsere Geheimnisse.
    Als ich Schritte hinter mir höre, ist es längst zu spät. Zwei Hände packen mich mit hartem Griff gleichzeitig im Nacken und am Oberarm. Der Schreck fährt mir in die Glieder und nimmt mir den Atem. Ich schnappe nach Luft.
    Â»Verdammt noch mal, was schnüffelst du denn hier in meiner Garage herum?« Tobias dunkle Augen funkeln vor Zorn. Er hat einen braunen Roststreifen über der linken Wange, seine Haare stehen in alle Richtungen vom Kopf ab. Er trägt Jeans und ein schmuddeliges schwarzes Achselhemd. Auf seinem Bizeps prangt eine Tätowierung – ein heulender Wolf. Na toll!
    Obwohl es draußen an die dreißig Grad sind, steigt die Kälte mir das Rückgrat hinauf. Ich bin nicht fähig, auch nur ein Wort zu sagen oder einen klaren Gedanken zu fassen. »Ich … ich

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