Isenhart
Muselmanen«, unterbrach Konrad. Er warf Isenhart einen ruhigen Blick zu. Dieser fühlte sich an Konrads Vater erinnert, an das letzte Mal, als er Sigimund von Laurin lebend gesehen hatte. Nun wuchs auch der Sohn vor seinen Augen, in die Höhe, in die Breite.
»Ist die Armbrust gespannt?«
Isenhart musste unwillkürlich schlucken, denn diese Frage offenbarte, dass Konrad ihr Heil keineswegs in der Flucht suchen wollte. Er griff zum Bogen, legte hastig einen Bolzen im Sichtschutz des Pferderückens ein und dehnte die Rindersehnen. »Sie ist gespannt.«
»Gut.« Konrad schleifte unermüdlich weiter. Er versuchte auch nicht, den Blick, den er den sechs Reitern – sie näherten sich in einer doppelten Dreierlinie – zuwarf, zu verheimlichen. Offenen Auges musterte er sie. In einer anderen Situation hätte Isenhart Zeit gehabt, die unerschütterliche Haltung seines Freundes zu bewundern, die den Mauren signalisierte: Wir mögen unterliegen, aber ihr werdet nicht unversehrt bleiben.
»Sie sind zu sechst«, merkte Isenhart an.
»Ich kann zählen«, kam es leise zurück, »meinst du, du wirst mit den beiden ganz rechts fertig?«
Selbst wenn er die Armbrust auf kurze Distanz einsetzte und ganz davon abgesehen, dass Konrad sich dann mit den anderen vieren konfrontiert sah, lief es für Isenhart dann immer noch auf einen Kampf Mann gegen Mann hinaus. Er war kein Ritter oder Krieger, der tagein, tagaus Angriffe, Finten und Schlagserien trainierte, er sah den Sinn seines Daseins nicht im Kampf. Jedenfalls nicht im physischen. Andererseits war dieses der denkbar schlechteste Zeitpunkt, Konrad daran zu erinnern.
»Kannst du?«, drängte der Freund.
»Ja«, sagte er daher.
Der junge Laurin nickte. »Die Vorderläufe«, wisperte er, »attackier die Vorderläufe, wenn sie nicht absitzen.«
Die sechs Mauren saßen nicht ab. Ohne ein Wort an sie zu richten, glitten sie einfach an ihnen vorbei, beäugten sie mit wenig Neugierde, aber großer Selbstverständlichkeit, als seien sie die Gebieter über jene Seen, die kamen und gingen, oder zumindest so, als kannten sie die Gesetzmäßigkeiten ihres Erscheinens. Als Isenhart die Ruhe und die Überlegenheit in ihren Augen las, war er froh, nicht in einen Kampf mit ihnen verwickelt zu werden.
Konrad fuhr mit dem Schleifstein die Klinge hinauf und hinab, bis die sechs Mauren keine dreihundert Fuß entfernt ebenfalls hielten. Dort entledigten sie sich ihrer Kleidung, stellten einen Mann als Wache ab und genossen das kühle Nass. Der leichte Wind trug ihr Lachen bis zu Konrad und Isenhart.
Konrad schüttelte leicht den Kopf: »Wie kann man nur so dumm sein und bei diesem Wetter schwarzes Leinen tragen? Das kann doch nur einem Muselmanen in den Sinn kommen.«
Mitte August trafen sie in Toledo ein. Der Tajo führte mitten durch die Stadt, in der christliche, maurische und jüdische Bauwerke sich abwechselten, eine Mischung aus Baustilen und – materialien, die auf den Straßen – sie waren es schon aus Barcelona gewohnt – ihre Entsprechung fand. Anhänger aller drei Religionen gingen ihren Geschäften nach oder vertrieben sich sonst wie die Zeit, ein Wirrwarr aus arabischen, kastilischen und diversen romanischen Gesprächsfetzen begleitete Isenhart und Konrad durch die Stadt.
Diese Fahrlässigkeit, wie er es sah, bereitete Konrad einiges Kopfzerbrechen. Wie konnte man im Süden Iberiens gegen maurische Stämme reiten und sie zugleich in der mächtigsten seiner Städte dulden?
Sie erkundigten sich an verschiedenen Stellen nach Ibn Al-Hariq, worauf sie ebenso wie bei der Nennung des Namens Sydal von Friedberg ein Kopfschütteln ernteten. Erst ein alter Iberer, der am Straßenrand Körbe flocht und ihnen ein zahnloses Lächeln schenkte, schien sich zu entsinnen.
»El alcázar Puente«, sagte er und deutete den Tajo in südlicher Richtung hinab.
Mehr war aus ihm nicht herauszukriegen, er wiederholte nur immer wieder diese drei Worte, die bei Isenhart zwar zu keiner Erkenntnis führten, die er aber einigermaßen fehlerfrei rezitieren konnte.
Bei El alcázar Puente, so fanden sie bald heraus, handelte es sich um eine alte Festung südlich von Toledo, zu Pferd keine halbe Stunde entfernt.
Puente, wie die Festungsanlage von den Toledanern genannt wurde, war ein römisch-maurisches Bollwerk, so geschickt in den von rötlichen Strukturen durchzogenen Fels eingebettet, dass es sich erst beim zweiten Hinsehen als von Menschenhand gebildet offenbarte. Isenhart und Konrad, die
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