Isenhart
dem Gang, hervorgerufen durch andere Gäste der Puente.
Aber auch das Geräusch, das mit Bast bewehrte sehr leichte Schuhe beim Laufen auf Sand erzeugten, und das Huschen von Gewändern drangen ihnen ans Ohr. Die Zeit wurde knapp, Baba würde keinen Moment zögern.
Überlass dich niemals dem Zorn.
Diesen Rat beherzigte Konrad nun. Er schob seinen Hass auf den Mann vor ihm beiseite und überließ sich seinem Kampfgeist. Der Abt war bewaffnet.
Konrad packte Wilbrands Handgelenk und schlug es mehrere Male gegen die Wand, bis der Abt die Klinge zu Boden fallen ließ. Mit der freien Hand unternahm von Mulenbrunnen den Versuch, Konrad an der Gurgel zu packen, aber dieser stieß ihm den Dolch durch die Hand. Und dann, nach diesem überlegten Vorgehen, rammte er dem Mörder das Messer in den Bauch und riss es dann mit aller Kraft nach oben. Wilbrand entglitt seinem Griff, er stürzte zu Boden. Blut quoll aus der schrecklichen Wunde, die Konrad ihm beigebracht hatte. Dem jungen Laurin war ein kleiner Moment der Genugtuung vergönnt, ein Blick auf das Gesicht des Mannes, an dem er sich im Namen seines Vaters und des Hauses Laurin gerächt hatte.
Wilbrands Augen suchten die seinen und fanden sie. Mit einer schwachen Bewegung zog der Abt den Dolch aus seinem Körper und ließ ihn auf die Steinplatte neben sich rutschen. Er bedachte den jungen Laurin mit einem unangemessen fröhlichen Lächeln. Damit wurde Konrad von derselben Irritation heimgesucht, die auch der Abt mitten im Kampf mit ihm erfahren hatte.
»Du kannst mich nicht töten, Konrad«, wisperte von Mulenbrunnen.
Der junge Laurin erhielt keine Gelegenheit mehr, über den Sinn dieser Worte nachzudenken oder dem Abt das Messer ins Herz zu rammen, damit dieses überlegene Lächeln, das über ihn zu triumphieren schien, endlich brach. Denn plötzlich stürmte Isenhart heran, riss ihn mit sich und drängte ihn zur Maueröffnung. Als Konrad einen Blick über die Schulter warf, entdeckte er den Grund für Isenharts Hast: Baba stürmte in die Kammer, seine Augen waren auf sie gerichtet, und er machte nicht unbedingt den Eindruck, als könne man ihm in einem ruhigen Gesprächauseinandersetzen, was sie dazu bewogen hatte, die Gesetze der Puente zu brechen.
Also sprangen sie. Es waren gut und gerne 15 Fuß, aber Babas grimmige Miene hätte sie auch zu noch gewagteren Sprüngen veranlasst.
Konrad verstauchte sich zwar etwas das linke Fußgelenk, aber sie erreichten trotzdem vor den Mauren, die ihnen unter Babas Führung nachsetzten, den Fluss. Isenhart hatte auf dem Rückweg von Toledo einen Baumstumpf entdeckt, den er ans Ufer gezogen hatte. An ihm konnten er und vor allem Konrad sich nun festhalten, als sie sich der Strömung des Tajos überließen.
»Bist du verletzt?«, fragte Konrad, nachdem sie eine halbe Meile den Fluss entlanggetrieben waren.
Isenhart schüttelte den Kopf und erkundigte sich im Gegenzug nach Konrads Wohlbefinden. Der Schnitt auf seinem Rücken war nicht tief. »Und Wilbrand?«, wollte Isenhart anschließen wissen.
»Tot ist er noch nicht, aber die Verletzung ist zu schwer.«
Die Genugtuung in Konrads Worten griff auf Isenhart über. Die Genugtuung und die Erleichterung. Er wusste nicht, wie es Konrad all die Jahre gegangen war, denn er sprach das Thema Mulenbrunnen in seiner Anwesenheit nicht an, aber selbst Isenhart war stets auf der Hut gewesen. Wilbrand trachtete Konrad nach dem Leben, und auch nach Jahren in Heiligster hatte Isenhart sich bei jedem Reiter, der des Weges kam, gefragt, ob er nicht ein Meuchelmörder sei, der sie im Auftrag des Abtes aufgespürt hatte, um den Letzten in der Blutlinie des Hauses Laurin auszumerzen.
Auch in Spira konnte hinter dem gewöhnlichen Streit zweier Trunkenbolde das abgekartete Spiel von Auftragsmördern stecken, die ihre Trunkenheit lediglich vortäuschten und die Unübersichtlichkeit eines Handgemenges zu nutzen wussten, um Konrad mit einem Humpen den Schädel einzuschlagen.
Dieser allgegenwärtigen Sorge hatten sie sich endlich entledigt. Für Konrad bedeutete dies keinesfalls, das Hab und Gut seines Vaters zu erben. Die Fehde, die Wilbrand von Mulenbrunnen mit Sigimund von Laurin ausgetragen hatte, war nach wie vor rechtmäßig. Der Grund und Boden der Laurins blieb damit auch nach dem Tod des Abtes angegliedert an den Besitz des Klosters.
Doch von nun an war Konrad von Laurin frei.
Nach der nächsten Biegung des Tajos entdeckte Isenhart die Stelle, an der er die Pferde zurückgelassen
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