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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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sicher?«
    »Ich hab ihn erschlagen und verbrannt. Wenn er immer noch mordet, muss es ein Wiedergänger sein.«
    »Spürst du deine Füße wieder?«
    Die Frage seines Bruders riss ihn aus seinen Gedanken. Die Cochins stolzierten direkt an seinem Kopf vorbei, und Henrick hatte aufgehört, seine Beine zu bearbeiten.
    Zuerst sahen sie den Fackelschein, der sich näherte, anschließend gesellten sich die Geräusche von Füßen dazu.
    Eine Gestalt schob sich in den Eingang des Hühnerstalls. Walther von Ascisberg warf Isenhart einen langen Blick zu. »Ich inspiziere sie jetzt und will, dass du mir zur Hand gehst.«
    Seine Worte hingen in der kristallklaren Nacht und ließen sich nicht verscheuchen.
    »Inspizieren?«, fragte Isenhart.
    Sein Lehrmeister nickte im Schein der Fackel. »Nur der Mörder kennt die genauen Umstände ihres Todes.«
    Walther von Ascisberg richtete kein Wort an ihn, während sie die Treppen zu ihrer Kammer hinaufstiegen. Oben angekommen wandte er sich aber doch noch an seinen Begleiter. »Hast du ihn gesehen?«
    Isenhart schüttelte den Kopf. »Nur die Spuren«, erwiderte er matt.
    Von Ascisberg nickte, als bestätige das seine Vermutung. Dann betraten sie die Kammer.
    Trotz der grässlichen Verletzungen erschien ihm Anna noch immer von jenem Liebreiz, der ihn in ihren Bann gezogen hatte. Der ihn vor Aufregung nicht hatte einschlafen lassen. Und der ungebrochen fortdauerte, über den Tod hinaus.
    Sie war in ihrer Kammer aufgebahrt worden, links und rechts brannten Kerzen. Die Flammen duckten sich vor dem Wind, der durch Spalten und Ritzen kroch. Der Frost war von ihrer Gesichtshaut gewichen, und trotzdem war Anna von einer geradezu überirdischen Schönheit. Jemand hatte ihr die Augen geschlossen. Für einen Augenblick ließ Isenhart sich von der Hoffnung narren, sie sei möglicherweise nur eingeschlafen.
    Walther von Ascisberg schloss die Tür hinter ihnen, bevor er an den Leichnam trat und ihn aufmerksam in Augenschein nahm. »Licht.«
    Isenhart gab sich einen Ruck und trat näher heran. Er hielt die Fackel in einer Weise, die von Ascisberg mühelos jede Kleinigkeit erkennen ließ.
    Zunächst beschäftigte er sich mit dem Schnitt durch ihre Kehle. Er steckte den Finger in die Wunde und fuhr sie sanft entlang.
    Isenhart musste sich abwenden und den Würgereiz hinunterschlucken.
    Von Ascisberg nahm ein der Länge nach zusammengerolltes Stück Leder aus der Tasche seines Umhangs und öffnete die Riemen mit einem einzigen Handgriff. Er entrollte das Leder und gab auf diese Weise den Blick auf einige metallische Instrumente frei, einige so fein, wie Isenhart sie noch nie zuvor gesehen hatte.
    Walther nahm zwei davon in die Hände, ein längliches, das in einer abgeflachten Spitze mündete, und eines, das in einem so filigranen Haken endete, dass Isenhart sich unwillkürlich fragte, welcher Pinkepank über derlei Fertigkeiten verfügte.
    Mit dem Haken wölbte er Annas Haut an der Schnittstelle nach oben, mit dem anderen Instrument zeichnete er den Schnitt nach. An einer Stelle stutzte er und führte die abgeflachte Spitze tiefer in die Wunde hinein, bis er erneut auf einen Widerstand traf. Dann fuhr er mit dem länglichen Metall weiter die Wunde entlang, bis er jenen Punkt erreichte, an dem der Schnitt endete.
    »Der Mörder hat nicht viel Erfahrung in so etwas«, stellte vonAscisberg fest und deutete auf einen Punkt knapp hinter dem Beginn der Schnittwunde, »dort, wo er begonnen hat, ist die Schnitttiefe ein Fingerglied tief – zu wenig, um eine Kehle zu durchtrennen. Aber hier«, Walther deutete auf den Punkt, auf den er gestoßen war, »hat er nachgesetzt.«
    »Ein Wolf …«, begann Isenhart.
    »Nein«, unterbrach Walther von Ascisberg bestimmt. Aber er hatte Verständnis für Isenharts Hoffnung, es könnte ein Zusammenstoß mit einem Rudel von Wölfen gewesen sein. Es hätte dem Tod etwas von seinem Schrecken genommen, den er vor allem aus der zweiten Wunde bezog – dem herausgerissenen Herz.
    Walther setzte auch hier seine Instrumente ein, und die Routine, mit der er dabei zu Werke ging, verriet Isenhart etwas über die Übung, die sein Lehrmeister darin hatte.
    »Der Brustkorb wurde mit einer Klinge geöffnet.« Walther nahm Isenhart die Fackel aus der Hand und hielt das Feuer so nah über die klaffende Wunde, dass er dabei etwas von dem Leinen versengte, in das Anna gekleidet war.
    »Bei den Rippen hat er sein Messer nicht benutzt. Hier«, er zeigte ins Innere des Torsos, »sie sind nach

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