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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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Menschen geschenkt werden konnte. Sein Leben erschien ihm ohne jeglichen Sinn, und daher suchte er sein Heil nicht in Ausflüchten.
    »Wir waren verabredet«, brachte er leise, aber deutlich hervor, »Anna und ich.«
    Konrads Blick ruhte in seinem. Er spürte, wie sich der tiefe Groll des Freundes über eine solche Verbindung zwischen Adel und Gesinde ein zähes Ringen mit seinem Mitgefühl lieferte. Schließlich nickte Konrad, erhob sich und verschwand ohne ein Wort.
    Walther von Ascisberg hatte keine Kinder. Es hatte sich einfach nicht ergeben; er würde sterben, ohne je Vater geworden zu sein. Und doch konnte er im Ansatz ermessen, wie es seinem Freund zumute sein musste. Anna war Sigimunds älteste Tochter. Sie war in einem Alter, in dem er sie gut hätte vermählen und so einen Vorteil für das Haus Laurin sichern können. Die Verheiratung war noch immer das effektivste Mittel, um Fehden beizulegen oder sich Zugang zu einflussreicheren Kreisen zu verschaffen. Der Verlust eines Kindes in Annas Alter war darüber hinaus viel schwerer zu ertragen, als wäre sie mit ein oder zwei Jahren verstorben, so wie die meisten Neugeborenen.
    Walther und Sigimund befanden sich dort, wo Isenhart sie gefunden hatte. Ihr Vater starrte mit leerer Miene auf den großen Fleck am Fuß des Baumes. Der Platz war jetzt übersät mit Fußabdrücken, es waren die Spuren des Abtransports.
    Von Ascisberg deutete auf die Lichtung, über die sie alle gekommen waren: Isenhart, Anna und ihr Mörder.
    »Annas Spur, die kleinen Abdrücke«, kommentierte Walther von Ascisberg, »der Fremde und Isenhart. Die Fußspuren von Anna und Isenhart enden hier.« Er senkte die Fackel knapp über den Boden. »Aber die dritte Spur führt weiter.«
    Walther erschien es, als benötigte Sigimund Ewigkeiten, um den Kopf zu wenden und mit den Augen der Richtung zu folgen, die erihm mit der Hand wies. Die Schultern des Freundes waren leicht nach vorne gebeugt. Jedweder Kraft beraubt, folgte Sigimund von Laurin Walther durch die Nacht.
    Mehr noch als der Mord an Anna traf Walther von Ascisberg die Art ihres Todes. Ganz zu schweigen von dem Anblick, den sein Freund ihm bot.
    Sie vernahmen eine Bewegung in ihrem Rücken. Es war Konrad, der stumm zu ihnen trat. Von Ascisberg wünschte, er wäre oben in der Burg geblieben. Konrads Anwesenheit zwang seinen Vater, eine würdevolle Haltung anzunehmen, obwohl ihm dazu die Kraft fehlte.
    Stumm folgten sie jenem Weg, den der Mörder Stunden vor ihnen genommen hatte. Alle vier, fünf Schritte zeugte ein dunkler Fleck neben den Fußspuren von dem, was er Annas Körper entrissen und offenbar mit sich getragen hatte.
    Die Spuren führten zu einer Stelle, von der aus sie sich in Form von zwei Linien und den Abdrücken von vier Hufen fortsetzten.
    »Ein Fuhrwerk, das von einem Pferd gezogen wird«, sagte Konrad leise. Er vermied es, seinem Vater in die Augen zu schauen, er fürchtete, der Schmerz, den er darin vermutete, würde ihn bis ins Mark treffen.
    »Wir suchen einen Mann mit einem Fuhrwerk«, sagte Sigimund von Laurin mit schwacher Stimme. »Er kann noch nicht weit sein, wenn er seinen Karren unterwegs nicht aufgegeben hat.«
    Er warf seinem Ältesten einen Blick zu, und der verstand. Konrad nickte und lief zurück zu seinem Pferd. Von Ascisberg war froh, sich wieder ungestört an Sigimunds Seite befinden zu können.
    »Wusstest du von Isenhart und meiner Tochter?«
    »Nein«, antwortete von Ascisberg nicht ganz wahrheitsgemäß, »nein, wusste ich nicht.«
    »Er hat geweint wie ein Weib neben meiner Tochter«, stellte Sigimund fest.
    »Was auch immer war, es ist zu Ende«, sagte Walther.
    Sigimund von Laurin haderte einige Augenblicke mit diesen Worten, aber dann deutete er doch ein Nicken an. Es machte Anna nicht wieder lebendig, wenn er den Jungen auspeitschen ließ. Noch dazu hatte er keineswegs dessen Bereitschaft vergessen, sich ihmanzuschließen, als es darum ging, Konrad aus diesem Heer von Verblendeten nach Hause zu holen.
    Eine angenehme Stille senkte sich zwischen die beiden. Von nicht allzu fern hörten sie Reiter, die durch den Wald davongaloppierten – Konrad war aufgebrochen.
    »Das Herz hat er ihr herausgeschnitten.«
    »So sieht es aus. Soll ich sie untersuchen?«
    Sigimund stimmte zu: »Ich kann es nicht.«
    Walther nickte. Sigimund war sein Freund, er erwies ihm diesen Dienst gerne.
    »Das Herz herausgeschnitten«, wiederholte Sigimund und suchte nun Walthers Blick. »Du hast gesagt, er sei tot. Bist du

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