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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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auszuheben.
    Endlich löste sich eine Gruppe aus dem Wald und überquerte die Lichtung, die Männer gingen auf ihn zu. Giselbert erkannte zuerst Sigimund von Laurin, der maßvoll einen Fuß vor den anderen setzte, jeder Schritt ein echter Herr. Dahinter Rupert, der Bogner, und Konrad, die den fahrenden Händler eskortierten, dem – Giselbert konnte es sehen – hin und wieder die Beine den Dienst versagten.Dann griffen Konrad und der Bogner ihn unter den Armen und zogen ihn weiter.
    Giselbert hatte eine Reihe an Männern und auch Frauen zum Schafott gehen sehen. Einige weinten und flehten um Gnade, andere schienen vor Schock entrückt und wieder andere beschimpften die Schaulustigen und spien sie an.
    Und dann war da noch die Kategorie jener, die erhaben über alledem standen. Sie schritten nicht verhalten aus oder gar zögerlich, sondern selbstverständlich, ganz so, als ginge es nicht etwa zum Richtplatz, sondern als unternähmen sie einen Spaziergang.
    All diesen Menschen war allerdings eines gemein: Wenn Giselbert mit dem Schwert zum Schlag ausholte, entleerten sie ihre Blase. »Der Schnitter ist ein großer Gleichmacher«, hatte schon sein Vater gesagt.
    Hintendran ging der Junge, der nun schon keiner mehr war: Isenhart. Ganz vorneweg schritt Vater Hieronymus, eine Kugel mit qualmenden Kräutern zu beiden Seiten schwenkend. Mit überheblichem Gesichtsausdruck verpestete er die Luft. Er erreichte als Erster die Grube und inspizierte sie – den Scharfrichter keines Blickes würdigend.
    Giselbert konnte ihn nicht leiden. Jahre zuvor waren sie einander das erste Mal begegnet, Giselbert hatte als Letzter die Messe verlassen, damit es nicht zu zufälligen Berührungen mit den anderen Besuchern des Gottesdienstes kam. Hieronymus stellte sich neben ihn.
    »Wir gehen beide einer einsamen Profession nach«, richtete Giselbert das Wort an ihn, um eine Form der brüderlichen Verbundenheit geltend zu machen.
    Der Geistliche gab ein verächtliches Schnauben von sich. »Einigen ist die Einsamkeit von Geburt an gegeben, so wie dir«, hatte Hieronymus geantwortet, »und einige wählen sie aus freien Stücken – so wie ich.«
    Der fahrende Händler sah mitgenommen aus. Sein Gesicht wies große, eiternde Brandblasen auf.
    Isenhart war unentschieden gewesen, wer von beiden lauter gebrüllt hatte, der Burgherr oder Alexander von Westheim.
    Er befand sich nicht mit in dem Verlies, aber der Geruch, der aus diesem Loch in den Gang drang, war ihm nur allzu bekannt. Er entstand, wenn glühendes Metall auf die menschliche Haut traf.
    »Wo ist das Herz?«
    Der Tonlage nach zu urteilen hatte Sigimund von Laurin jede Fassung fahren lassen, seine Stimme klang schrill, beinahe unmenschlich. Und von Westheims Stimme war mindestens ebenso sonderbar.
    Als Kind hatte Isenhart einmal ein unerträgliches Schreien im Wald vernommen. Zusammen mit Konrad, den er daraufhin weckte, streifte er durchs Unterholz. Sie fanden ein Rehkitz, das sich in einer Falle beide Vorderläufe gebrochen hatte und nun – aus Angst vor ihnen – den Versuch unternahm zu fliehen. Niemals würde Isenhart den Blick des jungen Tieres vergessen, panisch und rein zugleich.
    Konrad packte das Kitz und erlöste es mit einem raschen Schnitt durch die Kehle von seinen Qualen.
    Isenhart wusste, was Sigimund von Laurin von weinenden Männern hielt, aber er versuchte vergeblich, seine Tränen zurückzuhalten. Als er vor Scham errötet aufblickte, sah er Konrad, der sich die Tränen aus dem Gesicht wischte.
    Das war der Moment gewesen, in dem Isenhart den jungen Adligen in den Stand eines Freundes erhoben hatte.
    Die Schreie des Rehkitzes schallten aus der Tiefe seines Gedächtnisses und vereinten sich mit jenen, die aus dem Verlies drangen. Der Mund, der sie von sich gegeben hatte, war nun verschlossen.
    Ich habe es weggeworfen.
    »Wir haben uns hier mit Gottes Willen und Segen eingefunden«, begann Hieronymus feierlich. Aber da packte der Burgherr den Gefesselten und warf ihn mit einem einzigen, kraftvollen Ruck hinab in die kalte Grube, in der Alexander von Westheim, der den Sturz nicht abfangen konnte, schwer aufschlug.
    »Fangt an«, befahl Sigimund von Laurin lapidar.
    Die Männer ergriffen die Schaufeln und begannen damit, das Erdreich wieder in die Grube zu befördern. Isenhart zögerte. Natürlich waren die Indizien eindeutig. Die Fußspuren führten zudem Karren, der Karren führte bis an die Grenzen des Klosters von Mulenbrunnen, und auf dem Karren, den Konrad und

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