Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter
Sündenbabel von L.A. «
Ich beugte mich über den Ring, um einen Blick auf seine Züge zu erhaschen. »Kann es sein, dass du jetzt rot geworden bist?«
»Männer werden nicht rot.«
»Aha.« Ich warf mich einige Male gegen die Seile, die den Ring begrenzten, aber sie gaben kaum nach. Es waren insgesamt fünf, alle gut abgepolstert und robuster, als sie auf den ersten Blick wirkten. »Na, dann sei kein Feigling und komm endlich rauf! Ich will, dass du mir einige deiner Straßenkampf-Tricks aus dem guten alten L.A. beibringst.«
Er sah mich empört an. »Denkst du etwa auch, dass jeder Asiate in Los Angeles einer Gang angehört?«
Ich setzte meine Hör-doch-mit-dem-Scheiß-auf -Miene auf. »Nein … Ich denke eher, dass mir einer, der seinen Yakuza-Vater aus dem Verkehr gezogen hat, ein paar gute Tipps geben kann.«
Lächelnd schüttelte er den Kopf, und damit war sein Ärger verflogen. »Yeah, ich schätze, in den MMA macht mir so leicht niemand was vor.«
»Was ist MMA … ach so.« Mir dämmerte, was er meinte. »Mixed Martial Arts oder Gemischte Kampfkünste? Das sind diese Kloppereien, die man spätnachts im Kabelfernsehen sieht?«
»Drew, ich bin geschockt.« Er schwang sich geschmeidig wie eine Katze in den Ring. Man merkte seinen Bewegungen an, dass er das nicht zum ersten Mal machte. »Die MMA sind anerkannte Vollkontaktkämpfe, bei denen Techniken aus den verschiedensten Kampfkünsten zum Einsatz kommen.«
»Tut mir leid, wenn mein Fachwissen zu wünschen übrig lässt.« Ich sah ihm zu, wie er von einem Fuß auf den anderen hüpfte und dazu die Arme ausschüttelte. »Himmel, Yas, du bist ein Wahnsinnstyp!«
»Das hoffe ich. Und jetzt pass gut auf! Ich bringe dir meine Lieblingstechnik bei.« Yasuo strahlte mich an. » Ground and Pound , Baby!«
Ich trat misstrauisch auf ihn zu. »Klingt irgendwie nach Kochstudio.«
»Hat aber nichts damit zu tun. Es ist die Technik, die dir irgendwann den Arsch rettet, wenn du sämtliche Ninjasterne in die Landschaft geschleudert oder deine Fechtwaffe verloren hast … Florett, Degen oder wie diese komischen Fuchteldinger für Weicheier sonst noch heißen.«
In Sachen Fechtkunst musste ich ihm recht geben. Die Bewegungen waren elegant, und die ständige Wiederholung bestimmter Schritt- und Stellungsfolgen stärkte die Armmuskeln und bildete eine gute Grundlage für die übrigen Kampftechniken. Aber ich hatte die Mordlust in den Augen dieses Draug gesehen und wusste inzwischen, dass kein Ausfallschritt und keine Finte der Welt half, wenn so ein Monster überraschend attackierte.
Aber Yasuo hatte sich sehr geringschätzig über meine Ninjawaffen geäußert, und das durfte sich niemand erlauben. »Meine Wurfsterne laufen unter der Bezeichnung Shuriken.«
» Wakatta yo. « Er schnitt eine Grimasse. »Glaub mir, Drew, ich weiß, wie die Dinger auf Japanisch heißen.«
»Okay, okay, Sensei. Let’s ground around! « Ich streckte die Arme weit nach vorn, bis die Knöchel knackten, und schüttelte sie dann aus.
»Ground and Pound !«, verbesserte er geistesabwesend. »Die GnP-Taktik erlaubt dir, auch dann noch zu klammern und zu schlagen, wenn der Gegner bereits am Boden liegt.« Er begann mich zu umkreisen wie ein sprungbereiter Tiger.
Das warnte mich, und ich nahm die Standard-Abwehrstellung ein, geduckt, die Hände mit gespreizten Fingern vor dem Körper ausgestreckt. Er brauchte zu lange für seine Attacke. »Was ist los, Yas?«, spöttelte ich. »Hast du Hemmungen, ein Mädchen zu schlagen?«
Aber dann kam der Hieb, und ich ging zu Boden. Mir blieb die Luft weg. Ich wusste, dass er nicht mein wahrer Gegner war, ich wusste, dass er mir in aller Freundschaft eine Lektion erteilte, und doch schoss mir jede Menge Adrenalin in meine Adern.
Erinnerungen überfielen mich. Wie der Atem pfeifend aus meinen Lungen entwich, wenn mich der allerbeste Daddy zu Boden schleuderte. Wie meine Rippen knirschten, wenn er mich packte, in mein Zimmer stieß und die Tür zuschlug. Ich drängte die Bilder aus meinem Kopf. Ich hatte meinen Vater überlebt und war jetzt stärker als je zuvor. Das kleine Mädchen von früher gab es nicht mehr.
Denn jetzt konnte ich mich wehren.
Wir rollten auf dem Boden umher. Ich kratzte und schlug um mich, bis ich auf ihn zu liegen kam. Ich hegte den Verdacht, dass er nicht mit letztem Einsatz kämpfte.
»Los, Drew, klammern! Nach unten drücken!«
Ich richtete mich ein Stück auf, und mir kam schmerzhaft zu Bewusstsein, wie winzig ich im
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