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Isola - Roman

Isola - Roman

Titel: Isola - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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gewusst, was uns auf Isola erwarten würde – außer den Kameras und der Information, dass wir sicher untergebracht sein würden. Niemand hatte etwas Genaues gewusst und das war ja ganz offensichtlich Tempelhoffs Plan gewesen – dazu hatten wir Ja gesagt. Aber jetzt fühlte ich mich … verraten. Manipuliert. Ich musste an Jokers scherzhafte Bemerkung über die Marionetten denken. Auf gewisse Weise hatte er genau ins Schwarze getroffen. Wir konnten Tempelhoff nicht sehen, dennoch zog er an den Fäden, an unseren Fäden. Mit diesem Spiel hatte er eine Regieanweisung gegeben, ohne die Stimme zu heben. Und wir mussten folgen – oder das Projekt wurde abgebrochen.
    An dieser Stelle mischte sich Verzweiflung in meine Wut. Ich wollte nicht weg, ich wollte nicht zurück nach Deutschland, ich wollte hier bleiben, bis ich achtzehn war, und dann … ich ließ Sand durch meine Hände rieseln, bis die Fragezeichen und das Ausrufezeichen verschwunden waren.
    Seufzend legte ich mich auf den Rücken und blinzelte in das schimmernde Grün der Palmen. Pearl hatte recht. Es war so schön hier, trotz der Kameras – trotz dieses Spiels, das jetzt auf seine Teilnehmer wartete. Und letzten Endes hatte auch Milky recht: Es war doch bloß ein Spiel. Wenn ich aufpasste, würde mich der Mörder nicht erwischen. Und wenn ich selbst die Mörderkarte zog … mit einem tiefen Atemzug gelang es mir, diesen Gedanken wegzudrängen.
    Ich lauschte dem Rauschen der Wellen und über meinem Kopf hörte ich die Stimmen der Vögel, ein dunkles Ra-ta-ta-ta-tata – Ra-ta-ta-ta-tata , das nach einer kurzen Pause von einem gleichnamigen Ruf erwidert wurde. Ob Solo noch draußen im Meer war? Ich wollte den Kopf heben, aber meine Augen wurden schwer, und als irgendwann das fröhliche Beng-Tschiwi an meine Ohren drang, war ich schon halb im Schlaf.
    Ich erwachte davon, dass mir etwas in die Wange stach. Es war das Gehäuse einer Meeresschnecke, es lag direkt neben mir im Sand und ich musste mich im Schlaf daraufgelegt haben.
    Mein Gesicht brannte von der Sonne und meine Wange, auf die ich mich gedreht hatte, fühlte sich an wie ein paniertes Filet. Aber ich fühlte mich besser. Viel besser, seltsam glücklich und leicht, wie nach einem schönen Traum. Ich wischte mir die Sandkörner aus den Augen und betrachtete das Schneckenhaus. Es schimmerte perlmuttfarben und bräunlich rot und seine Form erinnerte mich an ein kleines Horn, dessen Spitze mir in die Wange gestochen hatte. Ich konnte den Kratzer fühlen, er war direkt über meinem linken Wangenknochen und brannte ein wenig.
    Die Öffnung des Gehäuses war zartrosa und ganz vorn auf der glatten Fläche entdeckte ich einen winzigen herzförmigen Fleck. Lächelnd umschloss ich meinen kostbaren Fund und dann sah ich mich um. Ich war allein am Strand und auch im Wasser konnte ich niemanden mehr entdecken. Dann sickerte das Spiel wieder zurück in mein Gedächtnis und ich erhob mich seufzend von meinem Schlafplatz unter der Palme. Das Schneckenhaus nahm ich mit und legte es auf meinen Nachttisch, neben das Foto von Esperança.
    Am späten Nachmittag versammelten wir uns wieder um den Glastisch. Es geschah fast automatisch, einer nach dem anderen trudelte ein. Milky hatte einen großen Topf Reis gekocht, dazu gab es Maiskolben und Tomatensalat. Mephisto bekam Hundefutter aus der Dose. Unsere Speisekammer war bis zum Anschlag gefüllt, es gab sogar eine Tiefkühltruhe. Die Lebensmittel würden für viele Wochen reichen.
    »Also, was meint ihr?«, sagte Lung, als wir mit dem Essen fertig waren. »Warten wir oder spielen wir?«
    Es war noch hell, als Joker die schwarzen Briefumschläge auf der gläsernen Tischplatte ausbreitete. Wir hatten noch einmal die Regeln gelesen und beschlossen, die Umschläge der Reihe nach zu ziehen. Sie sahen alle gleich aus, schwarz, unbeschriftet und mit einer eisblauen Iris als Siegel. Krys zog den ersten Umschlag, von ihr aus ging es im Uhrzeigersinn weiter. Am nervösesten kam mir plötzlich Darling vor. Sie kaute die ganze Zeit an einer Haarsträhne herum, und als sie an die Reihe kam, zitterten ihre Finger.
    Alpha nahm den letzten Briefumschlag.
    Dann zogen wir uns zurück.
    Ich setzte mich auf mein Bett, außer mir war noch Moon im Zimmer, aber unsere Betten lagen weit auseinander und wir sprachen kein Wort.
    Ich war Opfer.
    Auf meiner Karte – schwarz mit eisblauer Schrift – stand nicht viel mehr, als ich bereits aus den Spielregeln wusste. Dass das Versteck geräumig war,

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