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Isola - Roman

Isola - Roman

Titel: Isola - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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diesem steinernen Gewölbe, keine Sterne, kein Mond, kein Himmel, kein Strand, kein Meer, keine Erde – vielleicht war es dieses Urzeitgefühl, in dem sich meine Gedanken auflösten, vielleicht auch der Alkohol und vielleicht war es einfach all die angestaute Spannung, die freibrach, hungrig und voller Gier, wie ein zu lange eingesperrtes Tier.
    Was hatte Joker gesagt: Der Mörder macht heute Pause und wir lassen ein bisschen gute Stimmung aufkommen. Und genauso war es auch.
    Die Musik, eine ekstatische Mischung aus House, Trip-Hop und Soul ergriff Besitz von uns, auf eine archaisch aggressive Weise drang sie in uns ein, und die sonore Stimme des Sängers war wie eine gesungene Predigt, der sich keiner von uns entziehen konnte. Die Lyrics passten, als wäre der Song einzig für uns und diesen Ort geschrieben worden. Ich werde dieses Lied nie vergessen, jede Zeile, jedes Wort hat sich tief in mich hineingebrannt, wie ein akustisches Tattoo.
    This is my church
This is where I heal my hurts
It’s a natural grace
Of watching young life shape
It’s in minor keys
Solutions and remedies
Enemies becoming friends
When bitterness ends
This is my church
This is my church
This is where I heal my hurts
It’s in the world I become
Contained in the hum
Between voice and drum
It’s in the change
The poetic justice of cause and effect
Respect, love, compassion
This is my church
This is where I heal my hurts
For tonight
God is a DJ
God is a DJ
This is my church
    Ja, die Höhle wurde zu unserer Kirche und das Lied zu unserer Predigt.
    Joker erhob sich als Erster. Wie ein Zeremonienmeister verbeugte er sich tief vor unserer Runde, dann breitete er, die Hände zu Fäusten in den Manteltaschen geballt, seine Arme weit auseinander, wodurch sich sein schwarzer Mantel wie die Schwingen einer Fledermaus auffächerte. Lachend warf er den Kopf in den Nacken und begann zu tanzen. Wir anderen folgten ihm.
    Wir tanzten, als ob es kein Morgen gäbe. Wir warfen unsere Körper den kalten, fordernden Bässen entgegen und steigerten uns in einen immer exzessiver werdenden Rausch, in dem mir der Schweiß in heißen Bächen den Hals hinunter zwischen die Brüste rann, meine Haare nass wurden, als hätte ich geduscht, und ich die Wassertropfen auf meinen nackten Armen und die salzigen Tränen auf meinen Wangen spürte – wie Feuer brannten sie. Gleichzeitig musste ich lachen, glucksende, befreiende Laute, die wie aus einer unterirdischen Quelle an die Oberfläche drängten. In den wenigen Momenten, in denen ich die Augen öffnete, sah ich Solo. Er hielt seine Berimbau in den Händen, zog und schob sie wie im Fieber zu sich hin und von sich weg, sein Oberkörper war nackt und glänzend vor Schweiß, seine Augen waren geschlossen und plötzlich tanzte Darling zu ihm hin, in ihren Händen hielt sie Jokers Magnumflasche, ihre blonden Haare wirbelten wie weiße Flammen um ihren Kopf. Solo griff nach der Flasche und trank und von hinten näherte sich Joker. Er riss Darling an der Schulter herum, aber dann schloss ich wieder die Augen – ich wollte nichts sehen, nichts denken, ich wollte nur sein, außer mir sein, und tanzen, tanzen, tanzen.
    Dass jemand die Windlichter gelöscht hatte, merkte ich erst, als es um mich herum dunkel wurde. So dunkel, dass ich keine Worte dafür finde. Es war eine namenlose, alles schluckende Finsternis. Und noch immer lief – in einer ohrenbetäubenden Lautstärke – die Musik. Ich hatte jäh innegehalten, wie erstarrt stand ich da, aber mein Herz tobte weiter, trommelte wie wild in meiner Brust und mein ganzer Körper bebte, bis plötzlich und abrupt die Musik verstummte. Es dauerte, bis die Stille Gestalt annahm, es dauerte quälend lang. Doch dann wurde die Stille so übermächtig wie die Finsternis und mit ihr erwachte eine Angst in mir, die ich niemals zuvor und niemals danach so stark gefühlt habe wie in jenem Moment. Es war eine Angst, die keinen Grund kennt und die vielleicht eben deshalb so bodenlos ist. Auch im Wald, in den uns Joker mit seinem üblen Scherz gelockt hatte, war es dunkel gewesen, aber diese Dunkelheit hatte geatmet und, wenn auch auf unheimliche Weise, gelebt , während es hier unten ohne die Lichter wie in einem Grab war – es war im wahrsten Sinne des Wortes: totenstill.
    Wie viel Zeit verging? Sekunden? Minuten? Stunden? Ich wusste es nicht, ich hatte jegliches Gefühl für Zeit und Raum verloren, gleichzeitig waren meine Sinne, jede Faser meines Körpers zum Zerreißen gespannt. Ich schrie

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