Issilliba - Aaniya, das Mädchen, das mit den Fliegen sprechen konnte (German Edition)
kletterte er auf den Rücken des Drachens und kurze Zeit später folgen sie schon durch den Abendhimmel.
Sie flogen fast die ganze Nacht. Nur in den frühesten Morgenstunden machten sie eine kurze Pause. Als die Sonne beinahe den Zenit erreicht hatte, lagen die Sigral-Berge endlich unter ihnen. Die Gipfel, die sie hinter sich ließen, wurden höher und höher und schließlich erspähte Grom die Felsspalte, die zu seinem Zuhause führte. Er setzte zu einem atemberaubenden Sturzflug an.
„Nicht ganz so hastig“, schrie Aaniya und klammerte sich mit Armen und Beinen an Groms Körper. „Wir wollen lebend ankommen.“
Grom bremste ab und legte eine etwas flachere Flugbahn hin. Aaniya blickte nach unten. Beeindruckt bemerkte sie die vielen ausgerissenen Fichten und Tannen vor der Felsöffnung, aus der sie vor nicht allzu langer Zeit halb verbrannt herausgestiegen war. Ihr Drachenfreund hatte sich bei seinem ersten Ausgang in die Freiheit wirklich reichlich Platz geschaffen.
Wenige Minuten vergingen, dann landete Grom auf dem gerodeten Abschnitt des ansonsten dicht bewaldeten Berghangs. Kaum waren Aaniya und Goran abgestiegen, so war der aufgeregte Drache schon mit seinem Vorderkörper in der Felspalte verschwunden. Plötzlich standen Tedolin und viele seiner Niwis vor Aaniya und Goran.
„ Willkommen Aaniya, willkommen“, sprudelte es aus Tedolin hervor. „Du hast das Wunder vollbracht. Wir wissen, dass Zudromo wieder frei ist. Bitte verzeih mir meine Wut auf dich.“ Er fasste Aaniyas Hand und kniete vor ihr nieder.
„Ich freue mich, euch alle wieder zu sehen“, entgegnete Aaniya überrascht und zog Tedolin auf die Füße. „Wie ich sehe, müsst ihr euch nicht mehr verstecken.“
„ Ja, die Groglas sind verschwunden. Die Macht eurer Königin erstrahlt wieder über Zudromo“, erklärte Tedolin mit leuchtenden Augen.
„Was ist mit Groms Kindern?“, erkundigte sich Aaniya besorgt.
„Sie sind noch nicht geschlüpft. Es sieht so aus, als wollten sie endlich ihre Eier verlassen, aber sie haben nicht genügend Kraft ohne ihre Mutter.“
„Vielleicht brauchen sie dich dafür , Aaniya“, meinte Goran nachdenklich. Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern „Wenn du jetzt Exenias Macht in dir trägst, kannst du für die Drachenbabys vielleicht die Mama sein.“
„Bist du verrückt?“, entfuhr es Aaniya, aber dann erinnerte sie sich an Exenias Worte: „Ich bin es, die große Mutter der Welt, die bis an die Grenze unseres Landes eine besondere Magie ausstrahlt.“
Exenia hatte sich als Mutter bezeichnet. Ihre Stimme war die absolute Weiblichkeit. Sie war die vollkommene Liebe. Sie konnte Wunder vollbringen. Vielleicht hatte Goran doch recht.
Aus der Höhle drang Groms markerschütternder Wut- und Verzweiflungsschrei.
„Es geht ihnen nicht gut“, flüsterte Aaniya. „Komm, Goran. Ich will es versuchen.“ Mit diesen hektischen Worten zog Aaniya Goran auf seinen Krücken mit sich.
„Halt, ihr braucht eine Fackel“, rief ihnen Tedolin hinterher. Auf seinen kleinen Beinen kam er angelaufen und stieg vor Aaniya und Goran in die Höhle. Es dauerte nicht lange, da erschien er wieder am Eingang. In seiner Hand hielt er einen Ast, an dessen Ende helle Flammen tanzten. Aaniya nahm das Licht dankbar entgegen und eilte dann gefolgt von Goran den felsigen Gang entlang in das Innere des Berges. Nach nicht einmal einer viertel Stunde erreichten die beiden Groms alte Zufluchtsstätte. Der letzte Drache Zudromos saß mit hängendem Kopf vor den drei bräunlich gefärbten Eiern, die Baribua ihm hinterlassen hatte. „Sie schaffen es nicht, Aaniya“, fauchte er. „Ihre Kraft reicht nicht. Sie brauchen eine Mutter, damit sie schlüpfen können.“
Aaniya drückte Goran die Fackel in die Hand und kam dann vorsichtig näher.
„Grom, kann ich es versuchen?“, fragte sie nervös.
„Was kannst du schon ausrichten? Du bist zwar nun Beschützerin eures Landes, aber du bist noch lange keine Drachenmutter“, knurrte Grom verzweifelt. „Meine Kinder werden sterben!“ Er gab einen fürchterlich tiefen, langgezogenen Ton von sich, in dem all seine Trauer durch die Hohlräume des Berges hallte.
Aaniya kniete sich neben die Eier. Sie wusste , wie gefährlich ihr Eingreifen war. Würden die Babys sterben, war es möglich, dass Grom ihr die Schuld geben würde. Sie wollte sich nicht vorstellen, welcher Zorn sie dann treffen würde.
„Hallo Drachenbabys“, wisperte sie. „Ihr habt mit mir gesprochen. Ihr wolltet,
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