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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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aufzuaddieren? Und in welchem «Gravitationszentrum», wenn es denn ein solches gab, würden diese konzentriert sein?
    Der Durchbruch ereignete sich schließlich im Frühjahr 1685. Newton gelang es, einen entscheidenden Satz zu beweisen:
    Wenn nach den einzelnen Punkten einer Kugel gleiche Centripetalkräfte gerichtet sind, welche im doppelten Verhältniss der Entfernung von den Punkten abnehmen; so wird ein innerhalb der Kugel befindlicher Körper durch eine Kraft angezogen, welche seinem Abstande vom Mittelpunkt proportional ist. Die Anziehung eines jeden Teilchens verhält sich nämlich umgekehrt wie das Quadrat seiner Entfernung vom Mittelpunkte der anziehenden Kugel, sie ist daher dieselbe, als wenn die ganze anziehende Kraft von einem einzigen kleinen, im Mittelpunkte dieser Kugel gelegenen, Körper ausströmte. Diese Anziehung ist aber so gross, als diejenige, welche umgekehrt der kleine Körper erleiden würde, wenn er durch die einzelnen Theilchen der angezogenen Kugel mit derselben Kraft angezogen würde, und die letztere Anziehung würde … dem Quadrat der Entfernungdes kleinen Körpers vom Mittelpunkte der Kugel umgekehrt proportional sein; folglich steht die ihr gleiche Kraft in demselben Verhältnis. W. z.b. w.
    Das heißt, sphärische Körper verhalten sich so, als sei ihre Masse in ihrem Mittelpunkt konzentriert. Die Bedeutung dieses wunderbaren Beweises wurde von dem Mathematiker James Whitbread Lee Glaisher (1848–1928) in einer Ansprache zum zweihundertsten Jahrestag der Veröffentlichung der Newton’schen
Prinicipia
1887 mit folgenden Worten gewürdigt:
    Kaum hatte Newton dieses überragende Theorem bewiesen – und wir wissen aus seinen eigenen Worten, dass er ein so wundervolles Ergebnis in keinerlei Weise erwartet hatte, ehe sich dieses aus seinen mathematischen Forschungen schließlich ergab –, lagen sämtliche Mechanismen des Universums mit einem Mal ausgebreitet vor ihm … Wie anders müssen sich seine eigene Aussagen in Newtons Augen ausgenommen haben, als ihm klar wurde, dass Ergebnisse, von denen er angenommen hatte, sie seien lediglich näherungsweise wahr, wenn sie auf das Sonnensystem angewendet würden, in der Tat voll und ganz zutrafen! … Wir können uns vorstellen, dass die anregende Wirkung dieses plötzlichen Sprungs vom Ungefähren zur Exaktheit Newtons Geist zu noch größeren Leistungen angespornt haben wird. Mit einem Mal stand es in seiner Macht, mathematische Analytik mit absoluter Präzision auf das gegenwärtige Problem der Astronomie anzuwenden.
    Der andere Punkt, der Newton bei der Abfassung der ersten Version von
De Motu
offenbar große Sorgen bereitet hatte, war der Umstand, dass er den Einfluss der Kräfte, mittels derer die Planeten ihrerseits die Sonne anzogen, vernachlässigt hatte. Mit anderen Worten: Er hatte in seiner ursprünglichen Formulierung die Sonne auf ein schlichtes unbewegliches Kraftzentrum von einer Art reduziert, wie es dieses seinen eigenen Worten nach in der realen Welt gar nicht geben dürfte. Dieses widersprach Newtons drittem Gesetz, welches besagt, «die Wirkungen zweier Körper sind stets gleich und von entgegengesetzter Richtung». Jeder Planet zieht die Sonne mit der Kraft an, mit der dieSonne ihn auch anzieht. Infolgedessen, so fügt er hinzu, kann sich bei zwei Körpern, die einander anziehen, weder der anziehende noch der angezogene Körper in Ruhe befinden. Diese anscheinend so belanglose Feststellung war in Wirklichkeit ein wichtiges Sprungbrett für die Entwicklung einer allgemeinen Theorie der Schwerkraft. Wir können versuchen, Newtons Gedankengang nachzuvollziehen: Wenn die Sonne die Erde anzieht, dann muss auch die Erde die Sonne anziehen, und zwar mit derselben Art von Kraft. Das heißt, die Erde umrundet nicht nur die Sonne, sondern beide rotieren um ihr jeweiliges Gravitationszentrum. Das ist aber noch nicht alles. Auch alle anderen Planeten ziehen die Sonne an, und tatsächlich erfährt jeder Planet nicht nur die Anziehung durch die Sonne, sondern auch die durch alle anderen Planeten. Dieselbe Logik lässt sich auf Jupiter und seine Satelliten, auf Erde und Mond und sogar auf einen Apfel und die Erde anwenden. Diese Schlussfolgerung ist in ihrer Einfachheit verblüffend –
es gibt nur eine Gravitation, und diese wirkt zwischen allen Massen und überall im Universum.
Mehr brauchte Newton nicht. Die
Principia –
510 eng beschriebene Seiten in lateinischer Sprache – wurden im Juli 1687 veröffentlicht.
    Newton

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