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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Tür einen Spalt.
    Ich wasche mir die Hände, bevor ich wieder in die Stube gehe und dann zur Treppe. Davor steht das Bücherregal mit Tolstoi und Ingstad und Gorki und Jack London und all den anderen. Es ist das Bücherregel von Arvids Vater von vorm Krieg, aber Arvid hat es vor langer Zeit übernommen. Vorne oben sind Schnitzereien im Rosenmuster und an denSeiten Frauenkörper und Männergesichter, es ist aus dunklem, geöltem Holz und anders als alles andere in dieser Wohnung. Ich lasse die Hand über einen der Frauenkörper gleiten, bevor ich die Treppe hinaufgehe, sie knarrt wie immer, und ich höre Arvid in seinem Zimmer stöhnen. Ich schaue hinein, und dort liegt er flach auf der Schlafbank, vollständig angezogen, den Kopf über der Kante, und unterhält sich mit einem Eimer.
    »Gibt er dir Antwort?«, frage ich, gehe hinein und öffne das Fenster, denn die Luft ist kompakt und nicht gesund.
    »Witzbold«, gurgelt er in den Eimer. Auf dem Boden steht der Aschenbecher, den wir heute Nacht benutzt haben, voller Kippen, ich hebe ihn auf, leere die Zigarettenstummel ins Klo und spüle ihn anschließend im Waschbecken. Die Flasche neben dem Bett war halb voll, als ich heute Nacht gegangen bin, jetzt ist sie leer.
    »Hast du die Nachrichten im Radio gehört?«, frage ich.
    »Ganz bestimmt.«
    »Nixon hat den vollständigen Rückzug erklärt.«
    »Was!?« Er zieht den Kopf aus dem Eimer und quält sich in eine sitzende Position. »Ist das wahr?«
    »Nein, aber du brauchst eine Dusche. Das schaffst du schon, wenn du nur willst.«
    »Idiot!« Er versucht aufzustehen, wird ganz weiß im Gesicht und muss sich wieder setzen. Er schluckt und kämpft mit etwas in seinem Hals.
    »Komm schon«, sage ich, aber er legt den Kopf auf die Arme, und es sieht fast aus, als würde er heulen. Ich gehe aus dem Zimmer, hole ein Handtuch aus dem Schrank im Flur und werfe es durch die Tür. Es trifft ihn an der Stirn.
    »Jetzt reiß dich zusammen. Ab in die Dusche mit dir, danach ziehen wir los.« Ich gehe die Treppe wieder hinunter,setze mich in die Stube und drehe mir eine Zigarette. Zuerst ist es still dort oben, dann höre ich ihn durchs Zimmer schlurfen, und zum Schluss beginnt die Dusche zu laufen, zuerst ein dünner Strahl, dann ein kräftigerer, und ich gehe zur Balkontür und stelle mich in die Sonne und rauche. An der Sonnenwand ist es angenehm warm, ich schließe die Augen und rauche die Zigarette zu Ende, werfe die Kippe auf den Rasen und hoffe, dass der Vorsitzende der Wohnungsbaugesellschaft es sieht. Er wohnt auf der anderen Straßenseite. Ich gehe zum Bücherregal in der Stube, lasse die Finger über die Buchrücken gleiten, halte an der burgunderroten Jubiläumsausgabe zu Tolstois Hundertstem im Jahr 1928 inne und frage mich, ob Arvids Vater wirklich alle Bände gelesen hat. Ich ziehe den ersten Band von Anna Karenina heraus, blättere zum ersten Satz und lese, was ich schon kenne:
    »Alle glücklichen Familien ähneln einander; jede unglückliche aber ist auf ihre eigene Art unglücklich«, steht da, und Arvid dreht den Duschhahn zu, ich stelle das Buch zurück ins Regal, lasse mich in einen Sessel plumpsen und warte. Es dauert zehn Minuten, dann kommt er die Treppe herunter, blass noch, aber er reißt sich zusammen.
    »Mush! Mush!«, sagt er, ein Befehl, den Helge Ingstad in seinem Buch Mein Leben in der Wildnis benutzt, wenn er will, dass die Hunde ihn geradeaus ziehen. Wir verwenden den Ausdruck seit Jahren als Codewort, und es wirkt ein wenig kindisch heute, aber ich verstehe den Wink, stehe auf und sage:
    »Hast du fürs Wochenende nach dem Auto gefragt?«
    »Ich musste eine halbe Stunde auf ihn einreden«, sagt er und zieht den Schlüssel aus der Tasche.
    »Willst du fahren oder soll ich?«
    »Bist du verrückt, ich bin nicht nüchtern.« Er wirft den Schlüssel durch die Luft, und ich fange ihn mit einer Hand, nehme die Jacke von der Stuhllehne und gehe zur Tür.
    »Nimm unterwegs den Müll noch mit«, sage ich.
     
    Wir fahren den Trondhjemsveien entlang stadtauswärts Richtung Gjelleråsen. Das Auto ist ein schwarzer Opel Kadett, nicht gerade neu, aber gut in Schuss, und es ist toll, am Steuer zu sitzen. Ich habe seit zwei Monaten den Führerschein, Arvid und ich haben ihn gleichzeitig gemacht. Davor bin ich nur ein paar Mal Traktor gefahren auf dem Land, Autos waren Egils Sache, er war total versessen darauf und schaffte es, seit er zehn war, sich in die meisten Autos hineinzuquasseln, aber ich bin gern in

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