Istanbul: Ein historischer Stadtführer
untergebracht, dessen zwei Türme schon in dem berühmten Tafelwerk von R. Walsh und Thomas Allom (1838) wiedergegeben wurden. Mahmûd II. hatte es 1828 nach der Vernichtung der Janitscharen für die Kavallerie seiner Reformtruppen errichten lassen. Der Sultan musste dafür Grundstücke, die zwei Griechen gehörten, erwerben und den sogenannten KuleliBahçesi («Turmgarten») zweckentfremden. Der Name des Gartens haftet auch an der sehr hübschen Holzmoschee zwischen Çengelköy und Vaniköy. Zwischen 1837 und 1842 diente die Kaserne als Quarantänestation. Im Krimkrieg erlitt sie Brandschäden. Die heutige dem Meer zugewandte Front geht zum größten Teil auf Sultan Abdülazîz zurück.
Evliyâ überliefert im Zusammenhang mit seiner blumenreichen Schilderung der Gärten am Bosporusufer eine Geschichte, die man sich damals über den Kuleli Bahçesi erzählt hat:
Südlich davon (d.h. nach dem kaiserlichen Garten von Kandilli) kommt ein Garten, den man das Pfaffenwäldchen (Papas Korusu) nennt. Mehmed IV. hatte es (einem sonst nicht sehr bekannten) Revânî Efendi geschenkt, eine ungewöhnliche, gut gewählte Liebenswürdigkeit des mächtigen Herrschers. Und dieser Papas Korusu geht in den Turmgarten über. Es ist ein Garten, der Selîm Hân I. gehörte. Selîm Hân wurde (eines Tages) sehr zornig auf den Prinzen Süleymân und lieferte ihn dem Bostancıbaşı aus, um ihn zu töten. Der Bostancıbaşı seinerseits sprach «gehört und befolgt» und tötete an Stelle des Prinzen Süleymân einen anderen Jüngling. Danach kleidete der Bostancıbaşı den Prinzen Süleymân neu ein (d.h., er verkleidete ihn als Gärtner). Um das Wohl des Staates bemüht, versteckte er ihn im Turmgarten.
Als drei Jahre später Selîm I. aus Ägypten zurückkehrte (1517) und er eine Vorahnung des Jenseits verspürte, sagte er: «O weh, Bostancıbaşı, wir haben wegen des armen geopferten Süleymân einen großen Fehler begangen. Wenn wir nun kinderlos sterben, auf wen geht dann der osmanische Staat über?» Worauf der Bostancıbaşı den Boden küsste und Süleymân aus dem Turmgarten brachte. Dieser berührte mit der Stirn den Fuß des Throns von Selîm Hân. Selîm drückte (daraufhin) Süleymân an seine Brust. Als später die Nachfolge auf Süleymân überging, beschenkte er den Bostancıbaşı mit (der Provinz) Ägypten. Im Turmgarten, in dem er aufgewachsen war und den er umgegraben hatte, errichtete Süleymân Hân einen neunstöckigen Turm als Palast. Er gleicht einem Festungsturm, der bis zum Himmel reicht, und erlaubt einen Blick auf die ganze Welt. Auf jedem seiner Stockwerke gibt es eine Fontäne, Wasserbecken mit Springbrunnen und eine Anzahl von Räumen. Deshalb nennt man ihn den Turm-Garten. Es gibt eine Zypresse, die Süleymân Hân selbst mit seinen gesegneten Händen gepflanzt hat. Wer sie sieht, begreift, was die Kunstfertigkeit Gottes zustande bringt. Es ist eine grünliche Zypresse, bei der kein einziger Spross nach außen ragt. Gelobt sei der Schöpfer. Von den verschiedenen saftigen Früchten dieses Gartens werden die Feigen auf der ganzen Welt gepriesen.
Die Kaserne von Kuleli war im September 1859 Schauplatz eines Tribunals. Eine Gruppe von Ulemâ und Offizieren hatte sich gegen den Sultan Abdülmecîd verschworen. Die Stimmung war nach dem Krimkrieg und am Ende der zwanzigjährigen Herrschaft des Erbauers von Dolmabahçe schlecht. In den Moscheen der Hauptstadt kritisierten die Hocas offen die Zustände: den Luxus der Oberschicht und die Verarmung der Massen, die Staatsverschuldung und die Eingriffe der ausländischen Mächte. Auf den Straßen der Stadt begegnete man nicht wenigen Tscherkessen, welche die russische Armee über den Kaukasus getrieben hatte. Der Chronist Ahmed Lütfî schrieb: «Ihren elenden Zustand konnte man nicht ohne tiefe Herzensbewegung ertragen.»
Die Verschwörer von 1859 waren ein Scheich Ahmed, der in der Medrese der Bâyezîd-Stiftung (heute ein Museum für Kalligraphie) wohnte, der Generalleutnant Hüseyin Pascha, Cafer Pascha, Arif Bey, ein Sekretär des Artilleriedepots, und ein Oberst Râsim Bey. Hüseyin Pascha war Tscherkesse, Cafer Pascha Albaner. Die Gründer der Geheimgesellschaft bemühten sich um weitere Unterstützung unter den Ulemâ und Militärs. Als sie auf den Generaloberst Hasan Pascha zugingen, denunzierte er die Verschwörer. 41 Personen wurden in Kuleli festgesetzt und von einer aus dem Großwesir, Scheichülislam und den Spitzen der obersten Ratsversammlungen
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