Istanbul
englische SchriftstellerinMiss Pardoe schon 1850 so treffend beschrieb. Seitdem die Polizei aber hier den illegalen Straßenverkauf unterbindet, ist der Platz leer und steril geworden. Doch vielleicht kommen sie ja wieder, die fliegenden Händler mit ihren Brillen, Socken, Bügeleisen, Aktenkoffern und ausgetretenen Hausschuhen. Es ist nicht das erste Mal, dass sie von hier vertrieben wurden. Als nämlich KaiserWilhelm II. im Jahr 1899 den Beyazıt Meydanı besichtigte, sah er einen ähnlich sterilen Platz wie Sie heute: Sultan Abdül Hamit II. hatte für die Visite, um seinem Gast ein „sauberes“ İstanbul zu präsentieren, die Baracken der Berber-, Bücher- und Kebabverkäufer abtransportieren lassen.
Der maurisch anmutende, monumentale Torbau auf der Nordseite des Beyazıt Meydanı führt auf den Campus der İstanbul Üniversitesi , mit über 60.000 Studenten eine der größten Universitäten des Landes. Dort steht auch der Beyazıt-Turm (Beyazıt Kulesi), eine markante Nadel in der İstanbuler Skyline (nicht zugänglich). Im 19. Jh. verbarg sich hinter dem Tor das osmanische Kriegsministerium. Kriegsähnliche Zustände erlebte der Beyazıt-Platz auch noch im 20. Jh.: 1975 z. B., als neofaschistische Studenten ein halbes Dutzend linker Kommilitonen niederschossen, oder 1999, als die Polizei einen Protest von Studentinnen, denen wegen ihres Kopftuches der Ausschluss von der Hochschule drohte, mit Wasserwerfern und Tränengas niederschlug.
Auf der Westseite des Platzes befindet sich das Kalligraphie-Museum (Türk Vakıf Hat Sanatları Müzesi), das in der ehemaligen Medrese der gegenüberliegenden Beyazıt-Moschee (Beyazıdiye) untergebracht ist. Neben der Moschee lädt ein Teegarten im Schatten einer riesigen Kastanie, die im Volksmund nicht umsonst auch „Baum des Müßiggangs“ genannt wird, auf eine Pause ein.
Vorbei am Teegarten gelangt man zum Bücherbasar (Sahaflar Çarşısı) in einem z. T. von Weinreben überrankten Hof. Antiquarisches (türk. sahaf = Antiquar) wird hier kaum mehr geboten, Kunst- und Lehrbücher sowie Softwareanleitungen dominieren. Zum Durchschlendern ist der Ort aber noch allemal schön und angenehm, die Bücherverkäufer gelten seit jeher als die unaufdringlichsten Händler der Stadt.
Lässt man sich von den Massen mitschieben, gelangt man zum Großen Basar (Kapalı Çarşı), einem farbenprächtigen Labyrinth aus schmalen Gassen und Straßen, der, da überdacht, auch „Gedeckter Basar“ genannt wird. Er dient immer wieder als Filmkulisse, zuletzt u. a. für den Thriller The International (2009) mit Naomi Watts. 500.000 Menschen wuseln hier tagtäglich hindurch. Verirren gehört dazu, hinausfinden wird man dank guter Beschilderung immer.
Pickende Schicksalsträger – die Tauben von Beyazıt
Auf dem Beyazıt-Platz sieht man oft mehr Tauben flattern als Menschen herumspazieren. Es sind so viele Vögel, dass die Beyazıt-Moschee auch „Güvercin Camii“ (Taubenmoschee) genannt wird. Einer Legende nach stammen alle Tauben des Platzes von einem Taubenpaar ab, das SultanBeyazıt II. einst einem armen Mann vor der Moschee abgekauft und selbstlos in die Freiheit entlassen hatte. Um alle Zeit an die gute Tat des Sultans zu erinnern, vermehrten sich die Tauben fortan über die Maßen.
Was in anderen Städten als Plage bezeichnet wird, genießt in İstanbul das Wohlwollen der Bevölkerung. Viele Menschen sind überzeugt, das Schicksal gütig stimmen zu können, wenn sie die Tauben mit Körnern oder Brotstücken füttern.
Ein glänzendes Geschäft im Großen Basar: Muhlis Günbattı
Wer zufällig im Osten des Basars herauskommt, kann einen Blick in die Nuruosmaniye-Moschee (Nuruosmaniye Camii) werfen. Wer sie suchen will, folgt der Kalpakçılar Caddesi zum Nuruosmaniye-Tor (Nuruosmaniye Kapısı). Um den Spaziergang aber fortzusetzen, verlässt man den Großen Basar über das Mahmutpaşa-Tor (Mahmutpaşa Kapısı), das man über die Aynacılar Sokak erreicht.
Entlang dem bergab führenden Mahmutpaşa Yokuşu wird in erster Linie Festtagskleidung für Hochzeiten oder Beschneidungen verkauft. Dem Trubel nach scheint halb İstanbul jede Woche etwas zu feiern zu haben. Unterwegs passiert man etliche alte Hane, die oft in Low-Budget-Einkaufszentren mit vielen kleinen Läden umfunktioniert wurden. Ayşe Normalverbraucherin geht hier auf die Suche nach günstigen Büstenhaltern, Stricksocken oder Kleiderbügeln. Touristengrüppchen sieht man hier kaum mehr.
Auf der Vasıf Çınar
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