Italien zum Verlieben (German Edition)
in
Umbrien bleiben, hier, wo das Leben noch in Ordnung war, die Luft
voller wunderbarer Düfte und die Landschaft so herb und schön.
Hier waren die Menschen, die sie liebte, hier war Marco. Ja, er hatte
wohl zumindest in einem Punkt recht behalten. Sie liebte ihn. Sie
liebte ihn wirklich, sie hatte es bisher einfach nicht wahrhaben
wollen, doch er war der Mann, den sie sich immer gewünscht
hatte. Sie konnte mit ihm über alles reden, sie hatten so vieles
gemeinsam, er war so leidenschaftlich und doch verantwortungsbewusst.
Seine zwei Küsse waren ihr mehr im Gedächtnis geblieben als
alle Küsse, die sie jemals von Sebastian bekommen hatte. Sie
wusste, dass ihr Leben nicht mehr so weitergehen könnte, wie
zuvor und sehnte sich nun nach nichts mehr, als mit Marco gemeinsam
hier glücklich zu werden. Ihr Onkel könnte ihnen beiden das
Gut überlassen, sie würde sich um den Bürokram kümmern
und Marco um den Wein. Es schien einfach perfekt zu sein.
Und Sebastian? Im Vergleich zu den Gefühlen, die in
ihr für Marco brannten, schien das, was sie für Sebastian
empfand nicht viel mehr als gute Freundschaft zu sein. Sie war mit
ihrer ruhig verlaufenden Beziehung immer zufrieden, doch nun wusste
sie, dass ihr immer etwas gefehlt hatte. Sie hatte Sebastian nie aus
vollem Herzen geliebt, hatte für ihn nie diese tiefe Zuneigung
empfunden, die sie nun für Marco empfand. Ihr Vater hatte recht
gehabt. Er hatte offenbar gespürt, dass sie Sebastian nicht
wirklich liebte. Doch was sollte sie jetzt tun? Sie musste unbedingt
mit Marco sprechen, um sicher zu gehen, dass das was Sebastian ihr
über ihn gesagt hatte, nicht die Wahrheit war. Vielleicht hatte
er sich ja einfach verhört. Und die Sache in Rom? Wenn es
wirklich so war, wie Marco sagte, dass er darin seine einzige Chance
sah, ihr Herz zu gewinnen, dann hatte er damit wohl recht behalten,
denn erst durch die Nähe, die sie in Rom zu ihm erfuhr, diese
Vertrautheit, hatte sie sich restlos in ihn verliebt, dass war ihr
nun klar geworden. Wie konnte sie ihm das jetzt noch übel
nehmen, wenn es doch ein Beweis für seine starke Liebe war.
Sie stand auf und eilte zurück zum Weingut. Es war
bereits dunkel und der aufkommende kühle Wind ließ sie an
ihren nackten Armen und Beinen leicht frösteln. Sie brauchte
beinahe eine Stunde für den Heimweg und war etwas außer
Atem, als sie den Innenhof betrat. Die anderen hatten sich sicher
gewundert, warum sie nicht zum Essen erschienen war, doch das war ihr
jetzt gleichgültig. Sie ging zielstrebig auf die Holztreppe zu,
die zu Marcos Wohnung hinauf führte. Davor blieb sie kurz stehen
und blickte sich um. Es hatte sie scheinbar niemand bemerkt, der
ganze Hof lag ruhig und verlassen da, nur das allgegenwärtige
Zirpen der Grillen war zu hören. Sie sah die Treppe hinauf, die
sich dunkel gegen den hellen Nachthimmel abhob. Es war Neumond und
tausende Sterne leuchteten hell am Firmament. Dieser Anblick würde
sich ihr einprägen, sie hatte die Sterne selten so hell
empfunden wie heute Nacht.
Anna nahm ihren Mut zusammen und stieg die Treppe hoch.
Es gab keine Klingel, aber an der dunklen Holztür hing ein
kleiner runder Eisenring. Sie klopfte zwei Mal und das Geräusch
hallte so laut durch die Nacht, dass Anna kurz erschrak. Drinnen ging
das Licht an, ein Schlüssel drehte sich im Schloss und Marco
stand im hellen Schein der Zimmerlampe vor ihr. Er war wohl schon im
Bett gelegen, denn er trug nur eine Unterhose und ein graues T-Shirt
dazu.
"Anna!" begrüßte er sie überrascht.
"Hallo, Marco. Kann ich kurz mit dir reden?"
"Ähm, klar, komm doch rein!" Er fuhr sich
durch die Haare und machte ihr den Weg frei, offensichtlich unsicher,
was er von dem nächtlichen Besuch halten sollte.
Anna betrat ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer
mit Nussbaum-Schränkchen, großen, alten Sesseln mit
Überwürfen, die offenbar von der selben Hand genäht
wurden, wie die geblümten Sitzkissen drüben am Esstisch vor
dem Haupthaus. Auf einem kleinen runden Tischchen stand eine Vase mit
einem Strauß bunter Wiesenblumen. Die Wände waren verziert
mit alten Fotografien von Menschen, die Anna nicht kannte und
verschiedenen Ansichten des Gutes und der Weinberge. In einer Ecke
lehnte eine Gitarre und rechts an der Wand stand ein schwarzer,
kleiner Holzofen. Alles strahlte eine sehr heimelige Atmosphäre
aus, die Anna sofort mochte. Sie hätte Marco einen solchen
Geschmack gar nicht zugetraut.
Marco nahm schnell einen Stapel Zeitungen und
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