Italienische Novellen, Band 1
einen großen Stein, trat nahe zu ihm hin und beehrte ihn mit einem solchen Schlag auf die Brust, daß er zurückfiel und kein Glied mehr rührte. Als der Bruder bemerkte, wie er nach dem gewaltigen Stoß sich nicht mehr erhob, fürchtete er, ihn mit dem Stein bereits umgebracht zu haben; er wartete eine Weile, hoffte und war in großer Sorge; endlich aber trat er zu ihm hin und schaute ihn beim Lichte genau an, wo er denn sich vollkommen überzeugte, daß er schon tot sei, und nicht anders dachte, als er habe ihn auf die angegebene Weise umgebracht. Er war deshalb bis zum Tod betrübt, indem er fürchtete, wegen ihrer Feindschaft werde der Verdacht alsbald auf ihn fallen und er darüber ums Leben kommen. Darum beschloß er mehrmals, sich selber aufzuhängen; bei reiflicher Überlegung jedoch nahm er sich vor, ihn aus dem Kloster zu tragen und auf die Straße zu werfen, um jeden etwaigen Verdacht von sich abzuwälzen, den man sonst aus der angegebenen Ursache hätte fassen können. Indem er nun diesen Plan ausführen wollte, fiel ihm weiter ein, wie öffentlich und unaufhörlich der Magister Donna Cattarina mit seinen unzüchtigen Zumutungen verfolgte, und er sagte bei sich selbst: »Wo kann ich ihn leichter hinbringen, um zugleich mich von allem Verdachte zu befreien, als vor die Tür des Herrn Roderico? Einmal, weil dies so nahe ist, und dann, weil man gewiß annehmen wird, er sei des Ritters Weibe nachgeschlichen, und dieser habe ihn umbringen lassen!«
Diese Überlegungen bestärkten ihn in seinem Vorhaben. Er lud mit großer Mühe den Leichnam auf den Rücken und trug ihn vor die besagte Tür, aus der er wenige Stunden zuvor als tot herausgetragen worden war. Dort ließ er ihn und kehrte, ohne von jemand beachtet zu werden, in das Kloster zurück. Obgleich er nun für seine Rettung hinreichend gedeckt schien, wollte er sich doch noch unter irgendeinem Vorwand auf ein paar Tage von hier entfernen, ging also in diesem Gedanken auf der Stelle nach der Zelle des Guardians und sagte zu ihm: »Mein Vater, ich habe vorgestern, da ich kein Lasttier hatte, den größten Teil unserer Einforderung in Medina im Hause eines unserer Freunde gelassen; darum möchte ich mit Eurem Segen nun hingehen, das übrige zu holen, und dazu die Stute des Klosters mitnehmen. Wenn's Gottes Wille ist, komme ich morgen oder übermorgen wieder.« Der Guardian gab ihm nicht allein die Erlaubnis, sondern lobte ihn sogar sehr wegen seiner Sorgfalt. Als der Bruder diese Antwort erhalten hatte, packte er seine Siebensachen zusammen, zäumte die Stute auf und erwartete nur den Anbruch des Morgens, um fortzureiten.
Herr Roderico, der die Nacht wenig oder nicht geschlafen hatte und doch wegen der Geschichte in Besorgnis war, entschloß sich, da nun der Tag herankam, seinem Diener aufzutragen, er solle um das Kloster hergehen und lauschen, ob wohl die Brüder den Magister tot gefunden haben, und was sie darüber sagen. Als der Diener aus dem Hause trat, um auszurichten, was ihm aufgetragen worden war, fand er daselbst den Meister Diego vor der Tür sitzen, daß es aussah, als hielte er eine Disputation. Das jagte dem Knechte nicht geringen Schrecken ein, wie man nur über einen Leichnam erschrecken kann; er fuhr zurück, rief alsbald seinen Herrn und konnte kaum die Worte hervorbringen, um ihm zu sagen, der Leichnam des Magisters sei vor ihr Haus zurückgebracht worden. Der Ritter verwunderte sich höchlich über diesen schlimmen Fall, der seinen Besorgnissen neue Nahrung gab. Nichtsdestoweniger tröstete er sich mit der gerechten Sache, die er zu führen glaubte, und faßte den mutigen Entschluß, geradezu zu warten, was die Sache für Folgen haben werde. Damit wandte er sich zu dem Toten und sagte: »So mußt du denn der ewige Pfahl im Fleisch meines Hauses sein, von dem ich dich weder lebendig noch tot zu entfernen vermochte! Aber dem zum Trotz, der dich hierhergebracht hat, soll es dir nicht gelingen, wieder herzukommen, es wäre denn auf einem Vieh, wie du selbst eins in der Welt gewesen bist.« Nach diesen Worten trug er dem Diener auf, aus dem Stalle eines Nachbars einen Hengst herbeizuholen, den sein Besitzer für das Bedürfnis der Stuten und Eselinnen der Stadt hielt, und der zu haben war wie die Eselin von Jerusalem. Der Diener ging in größter Eile hin und führte den Hengst herbei mit Sattel und Zaum und allem sonstigen Zubehör in bester Ordnung; und wie der Ritter früher beschlossen hatte, setzten sie den besagten Leichnam auf das
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