Italienische Novellen, Band 1
Pferd, machten ihn beritten und banden ihn fest, gaben ihm eine eingelegte Lanze und den Zaum in die Hand, als wollten sie ihn in die Schlacht schicken, und führten ihn endlich in diesem Aufzuge vor das Tor der Kirche der Mönche, wo sie ihn anbanden, worauf sie sofort heimkehrten.
Dem Mönche schien es nunmehr Zeit, die vorgenommene Reise anzutreten; er machte daher zuerst das Tor des, Klosters auf, bestieg sodann seine Stute und ritt hinaus. Als er aber den Magister auf die besagte Weise vor dem Tore fand, so daß er in allem Ernst meinte, er drohe ihm mit seiner Lanze den Tod, ward er plötzlich von so großer Angst erfaßt, daß er in Gefahr kam, tot vom Pferde zu sinken. Dabei überfiel ihn ein gewaltiger gräßlicher Gedanke, der Geist des Mannes müsse nämlich in seinen Körper zurückgekehrt sein, und er sei ihm zur Strafe gesetzt, um ihn allenthalben zu verfolgen nach dem Glauben mancher Toren. Während er sich in dieser Täuschung und Furcht befand und nicht wußte, welchen Weg er einschlagen sollte, witterte der Hengst die Stute, schob seine gewaltige Keule vor und wollte wiehernd der Stute zu Leibe gehen, welche Bewegungen denn den Mönch immer mehr in Angst setzten. Dennoch faßte er sich und wollte die Stute ihres Weges führen; diese aber drehte ihr Hinterteil gegen den Hengst und fing an auszuschlagen, so daß der Mönch, der nicht der beste Reiter war, fast herabfiel; und um den zweiten Stoß nicht abzuwarten, preßte er die Beine fest zusammen, drückte dem Tier die Sporen in die Seiten, hielt sich mit beiden Händen an dem Saumsattel fest, ließ die Zügel schießen und vertraute das Pferd der Willkür des Zufalls. Sobald nur dieses die Sporen fest in seine Flanken drücken fühlte, war es gezwungen, vorwärts zu laufen und ungezügelt den Weg einzuschlagen, der eben vor ihm lag. Als der Hengst sich so seine Beute entwischen sah, zerriß er in der Wut das schwache Band und lief der Stute eiligst nach. Der arme Mönch, der sich so den Feind im Rücken merkte, wandte sich um und sah ihn mit eingelegter Lanze wie einen rechten Turnier kämpf er auf ihn zueilen. Da verscheuchte er die erste Angst mit der zweiten und fing an in voller Flucht zu rufen: »Helft! Helft!«
Auf dieses Geschrei und durch das Getöse der ohne Zügel dahineilenden Rosse fuhr, da es nun heller Tag geworden war, alles an die Fenster und Türen, und jeder meinte in Erstaunen, er müsse vor Lachen bersten bei dem Anblick einer so ungewohnten und seltsamen Jagd zweier berittener Minoritenmönche, welche beide gleich tot aussahen. Die Stute lief ungeleitet bald da-, bald dorthin durch die Straßen, welcher Weg ihr am gelegensten kam; hinter ihr aber unterließ der Hengst nicht, sie wütend zu verfolgen, und ob der Mönch nicht mehrmals nahe daran war, von der Lanze getroffen zu werden, braucht man nicht zu fragen.
Ein großes Getümmel von Leuten verfolgte die beiden beständig unter Geschrei, Zischen und Heulen und rief: »Greift sie!« Die einen warfen Steine nach ihnen, die andern schlugen den Hengst mit Stöcken, und jedermann suchte die beiden zu trennen, nicht sowohl aus Teilnahme für die Fliehenden, als in dem Wunsche, zu erfahren, wer die beiden seien, die man bei dem schnellen Rennen nicht erkennen konnte. Nach längerem Umherjagen lenkten sie zufällig auf ein Stadttor zu, bei welchem sie eingefangen, der Tote und der Lebendige zugleich festgenommen und zu großer Verwunderung aller Leute erkannt wurden. Man führte sie beide auf ihren Pferden in das Kloster, wo die Mönche sie mit unsäglichem Schmerz empfingen. Sie ließen den Toten begraben und für den Lebenden die Folter bereiten. Als diese aber fertig war, gestand er, weil er nicht die Qual aushalten wollte, offen, er habe ihn umgebracht, aus dem oben angeführten Grund; aber er könne sich nicht vorstellen, wer den toten Magister auf diese Weise auf das Pferd gesetzt habe. Wegen dieses Geständnisses wurde er zwar mit der Folter verschont, aber in ein strenges Gefängnis gebracht. Es wurde sogleich durch den Pfarrer zu dem Bischof der Stadt geschickt, um ihm die heiligen Weihen abnehmen zu lassen und ihn dem weltlichen Richter überliefern zu können, der ihn nach der Vorschrift der Gesetze als Mörder aburteilen sollte.
Zufällig war in diesen Tagen der König Ferrando nach Salamanca gekommen; diesem wurde die Geschichte auch erzählt, und obgleich er ein sehr gesetzter Fürst war und den Vorfall sowie den Tod eines so berühmten Gelehrten aufrichtig
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