Italienische Novellen, Band 1
bedauerte, so gewann doch das Spaßhafte der Sache bei ihm die Oberhand, und er lachte mit seinen Baronen so heftig darüber, daß er sich nicht mehr aufrecht halten konnte. Als nun der Zeitpunkt herankam, wo man zu der ungerechten Verurteilung des Mönchs schreiten sollte, regte sich in Herrn Roderico, der ein sehr tugendhafter Ritter war und bei dem König hoch in Gunst stand, die Wahrheitsliebe; er dachte, sein Schweigen würde allein eine so große Ungerechtigkeit veranlassen, und er entschloß sich, lieber im Notfalle zu sterben, als die Wahrheit über eine solche Angelegenheit zu verbergen. Er trat daher vor den König, während viele Barone und Leute aus dem Volk um ihn versammelt waren, und sprach: »Gnädiger Herr, das strenge und ungerechte Urteil, das über den Minoriten gefällt worden ist, und die Kenntnis der wahren Sachlage bewegen mich, die über einen so schweren Unfall obschwebende Frage zu entscheiden. Wenn daher Eure Majestät dem verzeihen will, der aus gerechtem Anlaß den Meister Diego ums Leben gebracht hat, so will ich denjenigen alsbald hierher kommen lassen und mit unzweifelhafter Wahrheit den Hergang der ganzen Sache bis ins einzelne erzählen.«
Der König, der ein gar gnädiger Herr und sehr begierig war, die Wahrheit zu hören, gewährte huldvoll die verlangte Verzeihung, und sobald der Ritter diese hatte, erzählte er vor dem König und allen übrigen Umstehenden vom Anfang an das Verliebtsein des Magisters in seine Frau und alle Briefe und Botschaften, die er ihr gesandt, und was er dann mit ihm angefangen bis zuletzt Punkt für Punkt. Der König hatte das Zeugnis des Mönchs schon vorher gehört, und da diese Berichte in der Hauptsache zusammenstimmten, er auch Herrn Roderico für einen rechtschaffenen Ritter ohne Falsch hielt, maß er ihm ohne weitere Prüfung in allem unbedingt Glauben bei und überdachte mit Verwunderung und Betrübnis, manchmal auch mit sittsamem Lachen diese vielbewegte seltsame Geschichte. Um es jedoch nicht dahin kommen zu lassen, daß die unbillige Verurteilung des unschuldigen Mönchs vollzogen würde, ließ er den Guardian und den armen Mönch selber vor sich kommen. Der König verkündete ihnen dann in Gegenwart seiner Barone, der übrigen Adligen und anderer Leute seines Gefolges, wie die Sache in Wahrheit sich begeben habe, und befahl deshalb, daß der zu einer verschärften Todesstrafe verurteilte Mönch unverzüglich in Freiheit gesetzt werde. Sobald dies geschehen war, kehrte derselbe mit wiederhergestelltem guten Namen höchst erfreut nach Hause zurück. Herr Roderico erhielt die bedungene Verzeihung wirklich und erntete in bezug auf seine ganze Handlungsweise in dieser Angelegenheit das größte Lob. Die Kunde von dem wunderbaren Ereignis aber ward in wenigen Tagen durch die schnelle Fama zum großen Ergötzen aller im ganzen Königreiche Kastilien verbreitet.
Sallust im Nonnenkloster
In der edlen und alten Stadt Marsico ist ein sehr berühmtes Nonnenkloster, das hoch in Ehren steht, und in dem vergangenes Jahr nicht mehr als zehn Nonnen waren, alle jung und mit großer Schönheit begabt. Sie lebten zusammen mit einer alten Äbtissin von gutem und heiligem Lebenswandel, die, wenngleich sie selbst ihre blühende Jugend nicht umsonst vertan hatte, doch fortwährend auf ihre Schar einredete, sie dürften nicht mit der Zeit zusammen ihr jugendliches Alter verlieren und verbrauchen. Mit unzähligen Gründen setzte sie ihnen auseinander, daß kein Schmerz jenem gleichen könne, den der empfinde, der einsehen muß, er habe seine Zeit vertan, und der inne wird, wie Reue wenig oder nichts gutzumachen vermöge. Obgleich sie damit auch nicht allzuviel Mühe hatte in Anbetracht der sehr guten allgemeinen Gesinnung der Nonnen, so waren doch unter den andern zwei aus edler Familie und mit wunderbarem Verstände begabt. Die eine von ihnen, obwohl sie nicht Klara hieß, werde ich den Namen ändernd Klara heißen, und zwar verdientermaßen, wenn wir betrachten, wie gut sie, als es nötig war, ihre Tat klar zu waschen wußte; die andere werde ich selbst taufen und Agnes nennen. Sei es nun, daß sie schöner als die andern waren oder vielleicht beflissener, den Ermahnungen und Befehlen ihrer Priorin zu folgen, – als sie sahen, daß der Bischof der Stadt mit hartherzigen und ausdrücklichen Verfügungen jedem, wer immer es auch sei, das Betreten jenes Klosters und die Unterhaltung mit den Insassen verboten hatte, so beschlossen sie, alldem zum Trotz nicht so zu
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