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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
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erschrecklicher Stimme und sagte: »Hochwürdige Frau, laufet, eine Schlange oder ein andres schlimmes Tier ist unter Eure Hühnchen geraten und frißt sie alle auf!«
    Die Äbtissin, die als Alte, als Fromme und als Frau sehr geizig war, sprang trotz ihrer Altersbeschwerden sofort aus dem Bett und lief im Wolfstrab zu ihrem Hühnerstall.
    Klara, die auf der Lauer stand, sah, daß ihr Einfall gelungen war, zog ohne Verzug den Priester aus ihrer Zelle, faßte ihn am Hemdzipfel und zerrte ihn, die Kleider um den Hals, mit hastigen Schritten, wie ein Tier zum Schlachthaus, in die Zelle der Äbtissin, ließ ihn sich in deren eignes Bett legen und kehrte schneller als der Wind in ihre eigne Zelle zurück, fast im selben Augenblick, in dem der Bischof mit seiner Schar das Kloster betreten hatte und in den Schlafraum gelangt war. Zufällig traf er sich mit der Äbtissin, die mit einem Stock in der Hand, fröhlich, keine Schlange gefunden zu haben, und also siegreich zurückkam, den Bischof, der schneidend dareinblickte, ganz erschreckt anschaute und so zu ihm sprach: »Gnädiger Herr, was soll dieser Lärm zu dieser Stunde?«
    Der Bischof, der mit der Wildheit seines fürchterlichen Angesichtes die Bären erschreckt hätte, wandte sich zu ihr, erzählte ihr alles genau und schloß, daß er gesonnen sei, auf jede Art den Sallust und die Klara in die Hand zu bekommen.
    Die Äbtissin war tief schmerzlich berührt von dem, was geschehen war, beteuerte, soweit es ihr möglich war, ihre Unschuld und antwortete, er möge nach seinem Willen tun, und sie würde mit allem zufrieden und einverstanden sein.
    Der Bischof, den es sehr schmerzte, noch mehr Zeit zu verlieren, begab sich mit seiner Schar und der Äbtissin schnurstracks zur Zelle der Klara. Sie pochten an die Tür und riefen, sie solle öffnen. Klara, die keineswegs geschlafen hatte, tat doch so, als ob sie sich ganz verschlafen erhebe und sich erst anziehen müßte, rieb sich die Augen, kam an die Tür, und ohne irgendwie erschreckt zu erscheinen, fragte sie lächelnd: »Was soll eine solche Armee bedeuten?«
    Obwohl der Bischof sie mehr als sich selbst liebte, die ihm im Scheine so vieler Lichter noch schöner als sonst erschien, antwortete er darauf, um ihr große Furcht einzuflößen: »Wie, Aufsässige, wir sind hier, um dich als eine gottlose Frevlerin zu strafen, und du sprichst spottend, als ob wir nicht wüßten, daß Sallust diese Nacht mit dir zusammenlag und noch da drinnen ist ?«
    Die Äbtissin, so klug sie war, erregt über der Klara günstiges Geschick, schalt jene, bevor sie irgend etwas geantwortet hatte, zuerst mit vielen rohen Worten und wollte dann wütend beinahe Hand an sie legen.
    Klara, die ihren Bären schon in der Höhle der andern untergebracht hatte, antwortete der Äbtissin ein wenig wegwerfend folgendermaßen: »Hochwürdige Frau, Ihr seid allzu voreilig und versucht entgegen aller Rechtlichkeit und allem Pflichtgefühl meine Ehre zu beschmutzen. Aber ich hoffe zu Gott und zum glorreichen heiligen Thomas, in dessen Diensten wir stehen, daß der hochwürdige Herr nicht von hier weggehen wird, bevor er mit den Sünden anderer meine Unschuld klar erkannt hat; und der, der Susanna errettete vor der falschen Beschuldigung nichtswürdiger Priester, wird mich vor der Gemeinheit erretten, die man auf mich häuft.« Mit erheuchelten Tränen und großem Zorn sagte sie darauf: »Tretet ein, räuberische Wölfe, wenn ihr es durchaus wollt!«
    Der Bischof, der es für sicher hielt, daß der Priester darinnen sei, ging sofort mit all den Seinen hinein und suchte an Stellen, wo auch ein Hase kaum Platz gehabt hätte; als er ihn auf keine Weise finden konnte, ging er voll Zorn und Wut hinaus und sagte: »Ihr könnt daran glauben, wir werden ihn finden und keinen Raum ununtersucht lassen!«
    Als man so weit war, die Zellen aller Nonnen zu durchsuchen, sagte die Äbtissin: »Hochwürdiger Herr, bei Gott, suchet überall und beginnet mit meiner Zelle!«, und ähnlich sprachen alle andern Nonnen, die bei dem Lärm herbeigelaufen waren. Der Bischof schien zu begreifen, zu welchem Zweck die Äbtissin sprach, beauftragte zwei von seinen Leuten, sie sollten in die Zelle der unschuldigen Äbtissin gehen und dort so tun, als ob sie suchten, da es ein Ort war, auf den er keinen Verdacht hatte, um schnell zu den andern kommen zu können. Jene traten ein und sahen, daß das Bett etwas erhaben war, erkannten, daß da ein Mensch sei, zogen ihm die Tücher vom Rücken und

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