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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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unter unendlichen Schmerzen des niedergebrochenen Vaters, unter Weinen und Klagen von Verwandten und Freunden und überhaupt aller Sienesen, mit einem prächtigen Leichenbegängnis in einem ehrenvollen Grab in der Kirche des heiligen Augustinus beigesetzt. Gegen Mitternacht wurde sie von dem ehrwürdigen Frater mit Hilfe eines Gefährten dem vorgefaßten Plan gemäß aus dem Grabe herausgeholt und in seine Kammer verbracht; schon nahte die Stunde, da das in seiner Wirkung genau berechnete Getränk seine Kraft verzehrt hatte, und mit Feuer und andern notwendigen Praktiken führte er sie unter größten Schwierigkeiten wieder ins Leben zurück. Als sie wieder im Vollbesitz ihres früheren Bewußtseins war, ging sie wenige Tage darauf, als Mönch verkleidet, mit dem guten Frater nach dem Hafen von Pisa, wo die Galeeren aus Aiguesmortes, die nach Alexandria fuhren, anlegen mußten. Sie fanden eine, die eine solche Überfahrt vorhatte, und schifften sich darauf ein.
    Und es begab sich, da die Seereisen wegen widrigem Wetter oder neuer Geschäfte der Kaufleute viel länger zu dauern pflegten, als die Reisenden es wünschten, daß diese Galeeren aus verschiedenen Gründen erst mehrere Monate später als üblich ankamen. Gargano, Mariottos Bruder, hatte, um die Aufträge, die ihm sein teurer Bruder hinterlassen, auszuführen, sofort in mehreren und verschiedenen Kaufmannsbriefen den vom Mißgeschick verfolgten Mariotto unter allergrößtem Bedauern von dem unvorhergesehenen Tod seiner Ganozza in allen Einzelheiten unterrichtet und wo und wie sie beweint und begraben wurde und wie nach kurzer Zeit der alte und liebenswerte Vater aus diesem Leben schied. Diesen Nachrichten war das widrige und Verderben bringende Geschick viel günstiger als dem Boten der schmerzerfüllten Ganozza. Wohl um den armen Liebenden den herben und blutigen Tod, der sie ereilen sollte, zu bereiten, wurde der Bote Ganozzas auf einem Schiff, das mit Getreide nach Alexandria ging, von den Korsaren ergriffen und getötet. So hatte Mariotto keine andern Nachrichten als die seines Bruders und hielt sie für ganz gewiß. Wie sehr er von dieser herzzerreißenden Kunde und mit Grund betrübt und niedergeschlagen war, bedenke das, Leser, wenn irgend Mitgefühl in dir ist! Sein Schmerz war von solcher Art und Natur, daß er beschloß, er wolle auf keinen Fall mehr am Leben bleiben. Weder Zureden noch Tröstungen seines lieben Oheims vermochten etwas über ihn, und er entschied sich schließlich, nachdem er lange und bitterlich geweint hatte, nach Siena zurückzukehren; sollte ihm das Glück irgend günstig sein und nichts von seiner Rückkehr verlauten lassen, so wollte er sich verkleidet zu Füßen der Grabstätte niederwerfen, wo er seine teure Ganozza beigesetzt glaubte, und dort so weinen, als ob seine Tage zu Ende wären; und sollte er unglücklicherweise erkannt werden, so schien es ihm ganz erwünscht, wegen Totschlag hingerichtet zu werden, da er dachte, jene sei schon tot, die er mehr als sich selbst liebte, und von der er ebenso geliebt worden war. Fest entschlossen erwartete er die Abfahrt der venezianischen Galeeren nach dem Westen, und ohne seinem Oheim ein Wort zu sagen, bestieg er sie und ging mit größter Befriedigung dem vorbestimmten Tod entgegen.
    Er kam in kürzester Zeit in Neapel an und begab sich, so schnell er konnte, von dort nach der Toskana und betrat, als Pilger verkleidet und von niemandem erkannt, Siena. Er begab sich in ein nicht sehr besuchtes Spital und, ohne seiner Familie irgendeine Nachricht zu geben, ging er zu passender Stunde in die Kirche, wo seine Ganozza begraben war, und weinte bitterlich vor ihrem Grabe. Wenn er gekonnt hätte, wäre er gerne in das Grab gegangen, damit er sterbend jenen überaus zarten Körper, an dem lebend sich zu erfreuen ihm nicht beschieden war, für ewig mit dem seinen vereine. Alle seine Gedanken waren fest auf die Ausführung dieses Vorhabens gerichtet. Um nicht in dem Zustand des ewigen Klagens und Jammerns zu bleiben, besorgte er sich behutsam bestimmte Eisen und verbarg sich eines Abends zur Vesper in der Kirche. In der kommenden Nacht mühte er sich ab, bis er den Deckel des Grabes auf Stege gelegt hatte; und als er im Begriffe war, hineinzusteigen, geschah es, daß der Sakristan, der die Frühmesse läuten ging, ein gewisses Geräusch hörte, und da er hinging, um nachzusehen, fand er jenen in diesem Vorhaben begriffen. Da er glaubte, es sei ein Dieb, der die Toten plündern wollte,

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