Italienische Novellen, Band 1
Unstern an diesen bösen Ort geführt hat, wo wir seiner schlimmen Laune ausgesetzt sind, ohne uns dagegen wehren zu können, so wollen wir wenigstens eines tun, um in solcher Erniedrigung einigermaßen die Süßigkeit der Rache zu schmecken, die nach meiner Ansicht sonst alle Süßigkeiten von der Welt übertrifft. Wir wollen den Mann beim Weinzoll anzeigen, weil er, da er als Hauptmann nach Norcia ging, die Taxe nicht bezahlt hat. Das wird zur Folge haben, daß die Zollbeamten, um einen Spaß mit ihm zu haben, nach ihm senden und ihn aufziehen, worüber er sich halb zu Tode ärgert, und dann haben wir ihn doch, solange er dort ist, nicht auf dem Hals. Und wenn er auch darauf kommt, daß wir es gewesen sind, – schlimmer, als er es uns jetzt macht, kann er es uns doch nicht machen; und am Ende – wer guten Krieg führt, kriegt guten Frieden.
Alle waren damit einverstanden; Lodovico setzte eine Klage auf, und sie schickten diese durch einen Freund auf das Zollamt. Sobald die Beamten die Sache erfuhren, schickten sie mit großem Gelächter nach ihm aus. Sobald er kam, nahm einer im Namen aller das Wort und sagte: Bianco, man hat uns zur Anzeige gebracht, daß du als Hauptmann von Norcia von hier weggegangen seist, ohne die Taxe zu bezahlen. Du mußt sie also bezahlen und bist zur Strafe den doppelten Betrag zu erlegen schuldig.
Als er dies hörte, fing er an heftig zu weinen und sprach: Liebe Herren, habt Erbarmen mit mir!
Dann erzählte er ihnen den ganzen Hergang. Die Beamten stellten sich, als glaubten sie ihm nicht, und zerrten ihn eine gute Weile herum; endlich gaben sie ihm die Weisung, er solle ein andermal wiederkommen. So gelang dem Lodovico sein Plan vortrefflich; denn sooft die Beamten unter sich über die Geschäfte uneins waren und sahen, daß sie nicht gleich sich verständigen konnten, sagte einer oder der andere: Da wir hierüber nicht einig werden, wollen wir nach Bianco senden und zusehen, ob wir über seine Angelegenheit uns nicht einigen können. Sie ließen ihn kommen, behielten ihn eine Weile bei sich, machten sich Spaß mit ihm, solange sie Lust hatten, und ließen dann die Sache unentschieden. So dauerte es lange Zeit, daß man ihn immer bei der ersten Steuererhebung holen ließ, und auch später manchmal, wenn es ihnen einfiel, so daß ihm die Sache kein geringes Geschäft und Leidwesen machte, und überdies kostete es ihn einige Gulden, denn er brachte dem einen der Beamten Granaten, dem andern Kugeln oder Spindeln oder Spiegel, wie er glaubte, daß es ihnen angenehm sei.
Die Gefangenen, welche mit einem Zollboten verabredet hatten, daß sie Tag für Tag erführen, wie die Sachen stünden, konnten nicht satt werden, Lodovico für den von ihm erteilten Rat zu danken, da er ihnen so viel Vergnügen und Trost verschaffte, daß sie daneben alles andere geduldig ertrugen. Ich schweige davon, wie wir von dem Notar, den er mitnahm, alles pünktlich erfahren, und von dem Vergnügen, das uns die Geschichte oftmals bereitete, sowie von manchem Schabernack, den ihm die Gefangenen sonst noch antaten, weshalb er immer mit ihnen im Streit lebte und somit arm, bettelhaft, wunderlich und launisch wurde.«
Als Lioncino diese seine Erzählung beendigt hatte, wandte er sich lachend zu Piero dem Venezianer und sagte: »Nun wohlan, was willst du anfangen, Piero? Willst du nachgeben oder wie sonst auf deinem Kopf beharren? Gefällt dir meine Geschichte nicht besser als die deinige? Urteile selbst, ohne die andern zu behelligen!« »Nein, nein«, sagte Piero, »darum handelt es sich nicht; denn so schön und unterhaltend auch deine Novelle gewesen ist, so behauptet doch die meinige vor ihr weit den Vorzug, weil ich die Reden der in meiner Geschichte auftretenden Personen anders gehalten und wiedergegeben habe als du die der deinigen. Sodann enthält meine Novelle lauter Dinge, die auf einen Punkt abzielen, von dem man nie ohne Lachen spricht und der durchaus aller Hörer Ohren ergötzt; nicht also bei der deinigen. Indes haben wir uns dem Urteil dieser wackern und verständigen Männer unterworfen, und ich will demselben auf keine Weise ausweichen.«
Lioncino wandte sich darauf zu uns und sagte: »Ich wundere mich nicht über Piero, daß er hierin nicht mit mir einverstanden ist, denn es wäre dies ganz gegen seine Gewohnheit; aber in Betracht eurer Klugheit fürchte ich nicht, daß mir Unrecht geschehen könnte. Und um euch nicht durch Weitschweifigkeit zu belästigen, will ich nicht die vielen
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