Italienische Novellen, Band 1
unterhaltenden Partien meiner Novelle hervorheben, sondern spreche nur die Ansicht aus, daß, da ihr den Bianco kennt und doch gewiß gehört habt, daß das wirklich sich begeben, was ich euch erzählt habe, daß euch dies weit mehr Spaß machen mußte als etwas in seiner Geschichte. Habt daher die Güte und urteilt nach eurem Gewissen!«
Es waren unter uns verschiedene Ansichten: die einen versicherten, die Novelle Pieros sei schöner, die andern, die Lioncinos, und da wir uns zu keiner bestimmten Entscheidung vereinigen konnten, versprachen wir Giovannozzo, es solle dies nicht das letzte Mal sein, daß wir uns hier zusammenfinden, und es wurde beschlossen, das nächste Mal, wenn wir wiederkommen, sollen noch zwei Geschichten erzählt und dann erst unser Urteil gesprochen werden. Die Krankheit nahm aber zu, Lioncino unterlag ihr auch, und wir wurden so davon erschreckt, daß die Gesellschaft nach allen Seiten zerstob. So blieb das Urteil ungesprochen, und ich berufe mich daher auf das deinige und das des geneigten Lesers.
Niccolo Machiavelli
1469 – 1527
Belfagor
(Ben Jonson, Der dumme Teufel)
Man liest in den alten Jahrbüchern der florentinischen Geschichte, was man schon aus der Erzählung eines heiligen Mannes weiß, dessen Leben bei allen seinen Zeitgenossen hochgepriesen wurde, daß derselbe, in seine Gebete vertieft, mittelst ihrer schaute, wie unzählige Seelen jener armen Sterblichen, die in Gottes Ungnade umkamen, in der Hölle alle oder meistenteils nur darüber klagten, daß sie einzig und allein durch das Heiraten sich in so großes Unglück gestürzt haben. Durch diesen Umstand wurden nun Minos, Radamanth sowie die andern Höllenrichter in höchliches Erstaunen versetzt, weil sie solchen Verleumdungen des weiblichen Geschlechts nicht wohl glauben konnten. Da indessen die Klagen von Tag zu Tag zunahmen und auch der gehörige Bericht über die ganze Sache dem Pluto erstattet war, so kam es zum Beschlusse, den Fall mit sämtlichen höllischen Fürsten in reifliche Erwägung zu ziehen und nächstdem die geeignetsten Maßregeln zu ergreifen, um den Betrug aufzudecken und das Wahre an der Sache herauszustellen. Pluto berief sonach eine Ratsversammlung und sprach daselbst in folgendem Sinne: »Wiewohl ich, meine Lieben und Getreuen, durch des Himmels Fügung und durch unwiderrufliche Schicksalsbestimmung dieses Reich beherrsche und um deswillen keinem Richterstuhl des Himmels oder der Erde unterworfen sein kann, so habe ich doch beschlossen, weil es gescheiter ist, wenn die Gewaltigen sich den Gesetzen unterwerfen und der Meinung anderer ihr Recht einräumen, euren Rat einzuholen, wie ich in einer Angelegenheit mich zu verhalten habe, die sonst gar leichtlich zur Unehre unserer Herrschaft ausschlagen dürfte. Es sagen nämlich zwar alle Seelen von Männern, die in unser Reich kommen, ihre Weiber seien daran schuld. Da uns das aber unmöglich scheint und wir befürchten, wenn wir auf diesen Bericht hin ein Verdammungsurteil sprächen, möchten wir als allzu grausam verschrieen werden oder, wenn wir es nicht täten, als allzulässig und ungerecht; da ferner die einen Menschen aus Leichtsinn fehlen, die andern aus Unbilligkeit, wir aber diesem beiderseitigen Tadel ausweichen möchten und nicht wissen, wie das anzugehen ist, haben wir euch herbeschieden, damit ihr uns mit eurem guten Rate beisteht und um zu bewirken, daß dieses Reich auch für die Zukunft fortbestehe mit unangetasteter Ehre wie bisher.«
Es schien einem jeden dieser Fürsten der vorliegende Fall ein hochwichtiger und sehr beachtenswerter zu sein. Sie waren auch darin miteinander einverstanden, daß die Wahrheit notwendigerweise erforscht werden müsse; aber über die Art und Weise der Ausführung teilten sich die Meinungen. Der eine hielt dafür, man solle einen, der andere, man solle mehrere Boten zur Erde empor abfertigen, um unter menschlicher Gestalt persönlich zu ergründen, ob die Sache sich wirklich so verhalte. Viele andere dagegen meinten, man brauche nicht so viele Umstände zu machen; man dürfe nur ein paar Seelen durch verschiedene Marter zum Bekenntnis zwingen. Da nun aber die Mehrzahl für den Vorschlag einer Gesandtschaft stimmte, so ging diese Meinung durch, und da sich keiner fand, der freiwillig das Amt übernommen hätte, so entschloß man sich, die Wahl durch das Los zu entscheiden. Das Los traf den Erzteufel Belfagor, der vordem, ehe er aus dem Himmel gefallen, ein Erzengel gewesen war und jetzt zwar sehr widerwillig
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