Italienische Novellen, Band 1
sich und fing gemäß der unterwegs mit seinem Richter gepflogenen Verabredung also zu sprechen an: Ihr Herren, es sind etwa drei Monate, daß Giovanni di Santo, welcher voriges Jahr unser Exekutor war, mir schrieb, er wolle mich zu eurem Hauptmann erwählen lassen, bald darauf wieder, er habe meine Wahl bereits durchgesetzt, und endlich schickte er mir die Wahlurkunde, welche ich hier habe. Vom Wunsche beseelt, eurem Rate gefällig zu sein und Ehre zu gewinnen, wie stets meine Vorfahren solche zu besitzen gepflogen, entschloß ich mich herzukommen und euch zu dienen; ich habe mich deshalb auf die meinem Amte der mir überschickten Wahlurkunde zufolge zukommende Weise ausgestattet und bin hierher gereist mit dem Gefolge, das ihr hier seht, und nicht ohne große Unkosten, denn ich habe über zweihundert Goldgulden dafür ausgegeben. Gestern Abend nun hörte ich zuerst vom Wirte und dann von eurem Schreiber, daß ihr schon vor vierzehn Tagen das Amt einem andern gegeben habt, worüber ich verwundert und betrübt bin, so sehr unter solchen Umständen zu erwarten ist: denn das ist doch wohl nicht die Treue, die einer Gemeinde wie der eurigen ansteht, noch hat solches die Liebe verdient, welche beständig zwischen den Florentinern und euch stattgefunden. Auch sollt ihr nicht glauben, euren Hohn über einen der Geringsten ausgeschüttet zu haben: denn das Haus der Alfani gehört, ohne den andern zunahezutreten, zu den größten und ältesten unserer Stadt; darum werdet ihr euch solcher an mir verübten Unbill samt der Schande und dem Schaden nicht rühmen. Wolltet ihr jedoch Vorkehrung treffen, daß meiner Ehre kein Eintrag geschähe und ich meine Ausgaben nicht verlöre, so wollte ich in Hinsicht auf das bereits Geschehene mich beruhigen. Laßt es euch darum genehm sein, auf eure und auf meine Ehre Bedacht zu haben!
Nachdem er dies gesprochen, behändigte er dem Vorsitzer die Wahlurkunde und sagte: Dies ist es, was mich so zu sprechen veranlaßt.
Der Vorstand, als er sah, daß Bianco ausgeredet hatte, sagte zu ihm: Edler Herr, seid so gefällig, eine Weile draußen zu warten! Wir wollen uns hier unter uns beraten und Euch alsdann antworten.
Bianco zog sich in einen Vorsaal des Ratszimmers zurück und sagte dort zu seinem Richter: Ich wünschte nur, Ihr hättet mich gehört; denn ich versichere Euch, ich habe es ihnen auf eine Art gesagt, daß ich unmöglich glauben kann, sie werden nicht so oder anders auf ihre Ehre und damit zugleich auf die meinige bedacht sein. Ich habe recht wohl bemerkt, daß sie ihr Unrecht einsehen, und es war keiner unter ihnen, der vor Scham wagte, mir ins Gesicht zu blicken.
Die Vorsteher gingen zu Rate und ließen die Wahlurkunde vorlesen, bemerkten aber, daß sie nicht von der Hand ihres Ratsschreibers und durchaus gegen die bei der Wahl ihres Hauptmanns herkömmliche Form angefertigt war, insofern einmal mehr Besoldung und mehr Dienerschaft und ein Richter in Anspruch genommen wurde, den der Hauptmann nicht mitzubringen hatte; auch war die Urkunde nicht mit ihrem Siegel gesiegelt, und so ergab sich denn alsbald, daß man mit dem Manne bloß einen Scherz gespielt habe. Nachdem sie daher eine Weile darüber gelacht hatten, ließen sie ihn wieder hereinrufen, und sobald er sich niedergesetzt hatte, begann einer von ihnen im Auftrage der andern also: Edler Herr, der Rat fühlt sich durch das von Euch gehörte Anbringen und durch die Einsicht dieser von Euch vorgelegten Urkunde zur Verwunderung und zum Bedauern mit Euch bewogen. Wir wundern uns, denn wir können uns nicht vorstellen, wie man Euch einen solchen gewaltigen Spuk gespielt hat, und daß Ihr in so langer Zeit nicht darauf gekommen seid: denn weder seid Ihr jemals zu diesem Amte erwählt worden, noch ist diese Wahlurkunde hier ausgefertigt noch mit unserm Siegel versehen, noch ist sie auch nur in der Form der Urkunden gehalten, wie sie bei Erwählung zu einem solchen Amte bei uns gewöhnlich sind. Wir haben Bedauern mit Euch, da wir aus den von Euch gehörten Worten und aus Eurem Anblick Euch für einen wackern Mann halten zu müssen glauben; eben darum bedauern wir auch die Kränkung Eurer Ehre und den großen Schaden, in den Ihr, wie wir sehen, Euch durch die Sache versetzt habt. Wir wünschten in der Lage zu sein, Euch in dieser doppelten Hinsicht genügen zu können, sowohl in Betracht Eurer Person als aus Rücksicht auf Eure Vaterstadt, für die wir wie für jeden ihrer Bürger besondere Wohlgeneigtheit hegen. Aber alle Ämter,
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