Italienische Novellen, Band 1
Überzeugung gewesen, dies geschähe um ihrer Weiber willen, seien herausgebrochen, hätten ihn in die Mitte genommen und umgebracht. Sie legten dieses Bekenntnis, wie sie es miteinander verabredet hatten, ein jeder einzeln für sich ab. In betreff des Umstandes, daß sie sich einer in des andern Hause befunden hatten, sagten sie ein nicht eben wohl erfundenes Märchen aus, worin sie sich widersprachen.
Als der Herzog alle diese Dinge vernommen hatte, war er im höchsten Grade verwundert und wußte gar nicht, wie er die Wahrheit ausfindig machen sollte. In der folgenden ordentlichen Ratsversammlung der Zehn und ihrer Beisitzer, als alle übrigen Geschäfte abgetan waren und man auseinandergehen wollte, sprach daher der erleuchtete Fürst, ein Mann von hohem Geiste, der durch alle Grade des Staatsdienstes bis zur höchsten Würde emporgestiegen war, folgendermaßen: »Meine Herren, wir haben noch eine Sache zu besprechen, die vielleicht bis jetzt nicht erhört worden ist. Es liegen uns zwei Rechtshändel vor, die nach meinem Dafürhalten einen ganz andern Ausgang nehmen werden, als zu erwarten sein mag. Anselmo Barbadico und Girolamo Bembo, zwischen denen von jeher eine bittere, ihnen von ihren Vätern vererbte Feindschaft bestand, sind einer in des andern Hause halbnackt von unsern Schergen festgenommen worden und haben ohne Folter, ja ohne Androhung derselben auf die einfache Erkundigung unserer Beamten aus freien Stücken bekannt, vor ihren Häusern unsern Neffen Aloise ermordet zu haben. Dieser unser Neffe aber ist am Leben und hat weder von ihnen noch von sonst jemand eine Wunde erhalten: dennoch bekennen sie sich als seine Mörder. Wer vermag uns diese Widersprüche zu lösen? Ferner hat unser Neffe seinerseits ausgesagt, daß er, um in Madonna Gismonda Moros Hause zu rauben und bei etwaigem Widerstände auch zu morden, ausgegangen und von ihrem Fenster auf die Erde gefallen sei, was bei den vielen jetzt in unserer Stadt zur Klage gekommenen Diebstählen auch anderweiten Verdacht auf ihn zieht, als könne er der Missetäter sein. So müßte man also mit Foltern die Wahrheit von ihm herausbringen und, wenn er schuldig befunden würde, ihm die verdiente strenge Strafe angedeihen lassen. Als er nun gefunden wurde, hatte er weder eine Leiter noch Waffen irgendeiner Art bei sich. Hieraus läßt sich schon vermuten, daß die Sache sich anders verhalte. Dieweil nun unter den sittlichen Vorzügen die Mäßigung immer das größte Lob von allen geerntet hat, auch die Gerechtigkeit, wenn sie nicht gerecht geübt wird, zur Ungerechtigkeit wird, scheint es uns gerecht, in diesem mit so seltsamen Umständen verwickelten Falle eher Mäßigung als strenge Gerechtigkeit zu üben. Und damit ich nicht ohne Grund so zu sprechen scheine, so hört weiter, was ich euch sage! Die beiden Todfeinde bekennen sich zu etwas, was schlechthin unmöglich ist, weil unser Neffe, wie gesagt, noch lebt und die Wunde, die er erhalten hat, nicht von einer Waffe herrührt, wie er auch selbst angibt. Könnte es nicht sein, daß Scham, einer in des andern Schlafzimmer gefunden worden zu sein und ihre Weiber für unehrbar erkennen zu müssen, sie veranlaßt habe, aus Überdruß am Leben sich in die Arme des Todes zu werfen? Wenn wir unsere Nachforschungen hierin mit Fleiß anstellen, so werden wir die Verhältnisse sich anders gestalten sehen, als der gemeine Mann glaubt. Man muß also den Fall sorgfältig prüfen, und um so mehr, als aus ihrem Geständnisse erhellt, daß sie gar nichts aussagen, was den Schein der Wahrheit für sich hätte. Andererseits klagt sich unser Neffe selbst als Dieb an und bekennt überdies, er habe in das Haus von Madonna Gismonda Moro mit dem festen Vorsatze eindringen wollen, umzubringen, wer ihm Widerstand leiste. Unter diesem Grase steckt unseres Bedünkens eine andere Schlange, die sich selbst nicht achtet. Er stand niemals im Rufe solcher Ausschweifungen; nicht der geringste Verdacht dieser Art fiel ihm je zur Last. Ihr wißt ja auch alle, daß er Gott sei Dank anständige Reichtümer besitzt und anderer Leute Eigentum nicht braucht. Seine Diebereien werden wohl anderer Art sein, als er eingesteht. Es will uns also bedünken, ihr Herren, wenn ihr anders mit mir einverstanden seid, daß ihr uns diese Untersuchung am besten ganz allein überlaßt. Wir geben euch unser fürstliches Wort, uns der ganzen Sache mit der äußersten Gewissenhaftigkeit anzunehmen, und hoffen, sie so zu Ende zu führen, daß uns kein gerechter
Weitere Kostenlose Bücher