Italienische Novellen, Band 1
Vorwurf treffen wird, und das Endurteil wollen wir überdies euch vorbehalten haben.«
Den Räten gefiel die weise Rede des Herzogs über die Maßen wohl, und es tat sich beim Abstimmen dar, daß sie insgesamt der Meinung waren, nicht allein die Untersuchung dieser Rechtssachen, sondern auch die Entscheidung durchaus in seine Macht zu stellen. Der bedachtsame Fürst, der über die Angelegenheit seines Neffen bereits vollständig unterrichtet war, richtete nunmehr sein ganzes Augenmerk darauf, nunmehr auch den Grund zu erfahren, warum Bembo und Barbadico sich so törichterweise dessen anklagten, was sie nicht begangen hatten, und nach reiflicher Überlegung und vielen gehaltenen Nachfragen und Verhören, als seines Neffen Wiedergenesung fast ganz vollendet war, so daß er hätte umhergehen können, wenn er frei gewesen wäre, glaubte er zuletzt die Lage der beiden gefangenen Ehemänner ziemlich ermessen zu haben und legte seine gemachten Erfahrungen dem Rate der Zehn vor. Er ließ sodann auf eine unverdächtige Art die Nachricht in Venedig verbreiten, Anselmo und Girolamo werden zwischen den zwei Säulen enthauptet, Aloise aber gehängt werden, und erwartete nun, was für einen Eindruck dies auf ihre Frauen machen werde.
Sobald die Neuigkeit ihren Weg durch Venedig gefunden hatte, sprach man verschiedentlich davon, ja in öffentlichen und Privatkreisen war sonst von gar nichts die Rede. Da nun alle drei Verbrecher den edelsten Geschlechtern angehörten, fingen ihre Verwandten und Freunde an, sich um ihre Rettung auf das angelegentlichste zu bemühen. Sobald jedoch ihre Geständnisse stadtkundig wurden und, wie es zu gehen pflegt, das Gerücht das Schlechte immer vergrößerte, hieß es, der Foscari habe viele freche Diebstähle eingestanden, so daß kein Freund oder Verwandter für ihn ein Wort einzulegen wagte.
Madonna Gismonda, die die Krankheit ihres Geliebten bitterlichst beweint hatte, fühlte, als sie das von ihm abgelegte Geständnis vernahm und deutlich erkannte, daß er, um ihre Ehre nicht zu beflecken, lieber Leben und Ehre miteinander aufopfern wolle, ihr Herz von so glühender Liebe gegen ihn sich entzünden, daß sie fast dadurch starb. Es gelang ihr, ihm in seinem Kerker zu wissen zu tun, er möge gutes Muts sein und sich beruhigen, denn sie sei bereit, um ihn vor dem Tode zu schützen, alles, was zwischen ihnen vorgefallen, öffentlich der Wahrheit getreu zu bekennen und zum Zeugnisse derselben ebensowohl seine ihr geschriebenen Liebesbriefe, als auch die von ihr in ihrem Zimmer aufbewahrte Strickleiter zu zeigen. Als Aloise diese liebevollen Zeugnisse hörte, die seine Angebetete zu seiner Errettung abzulegen sich bereitete, war er der glücklichste Mensch von der Welt. Er ließ ihr unendlich danken und ihr versprechen, sobald er aus dem Kerker befreit sei, sie als seine rechtmäßige Gattin heiraten zu wollen. Die Frau empfand hierüber die größte Freude, da sie ihren teuern Liebhaber mehr als ihr Leben liebte.
Madonna Luzia und Madonna Isotta hatten zu gleicher Zeit die Nachricht von dem bevorstehenden Tode ihrer Männer erhalten und von Madonna Gismondas Geschichte gehört, und Madonna Luzia insbesondere hatte etwas von einem Weibe darüber munkeln hören, und so ahnten sie nun auch den wahren Zusammenhang der Sache. Sie berieten sich beide miteinander darüber, was zu tun sei, um ihre Männer zu retten, bestiegen eine Gondel und suchten Madonna Gismonda auf. Die drei Frauen teilten sich nun alles Vorgefallene mit und kamen überein, das Leben ihrer Männer zu retten. Die zwei verheirateten Frauen waren nach der Einkerkerung ihrer Männer den beiderseitigen Freunden und Verwandten ihrer Häuser verhaßt geworden, weil jedermann sie für die unkeuschesten Geschöpfe hielt; und es hatte sie auch aus diesem Grunde niemand besucht, um sie in ihrem Unglück zu trösten. Als sich nun das Gerücht verbreitet hatte, die Gefangenen sollten von der Gerechtigkeit vom Leben zum Tode gebracht werden, ließen sie ihren Verwandten sagen, sie sollten nur unbesorgt und unbekümmert sein und nicht weiter forschen, aber sich überzeugt halten, daß sie vollkommen ehrbar seien und ihren Männern kein Haar gekrümmt und weder Schaden noch Schande bereitet werden solle. Sie baten sie indes, dafür zu sorgen, daß einer der Herren Schirmvögte den Fall zur Verhandlung bringe; im übrigen sollten sie alles ihnen überlassen, da sie keine Sachwalter und Rechtsbeistände brauchten. Den Verwandten kam zwar dieses
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