Italienische Novellen, Band 1
frommen und löblichen Betrug die Vorkehrung, die uns das geringere Übel schien. Ich weiß, daß es überflüssig sein würde, hier der Feindschaft zu gedenken, die seit vielen Jahren zwischen den Eltern unserer Gatten und dann auch leider zwischen ihnen selbst besteht, denn es ist dies in der ganzen Stadt bekannt. Wir sind von der Wiege an miteinander aufgewachsen, und da wir die Feindschaft unserer Männer bemerkten, machten wir aus der Not eine Tugend und wollten lieber unseren holden Umgang meiden als Anlaß zu häuslichem Zwiste geben. Die Nachbarschaft unserer Häuser bot uns jedoch ein Mittel dar, das Bedürfnis zu befriedigen, das uns die widernatürliche Feindschaft versagte und verbot. Wenn sie ausgegangen waren, fanden wir uns nämlich gar oft in unsern Gärtchen ein, die durch einen einfachen Zaun von Meerschilf voneinander getrennt sind, und pflegten dort geselliges Gespräch. Wir benützten aber diese Bequemlichkeit mit Vorsicht, und da wir merkten, daß ihr, unsere Männer, einer in des andern Frau verliebt seid oder vielleicht euch verliebt stelltet, teilten wir einander diese eure Liebe mit und lasen immer miteinander die Liebesbriefe, die ihr uns zuschicktet. Eine andere Schmach wollten wir euch nicht antun über die Unbill, die ihr uns, euren Frauen, antatet, wiewohl es euch gut gewesen wäre; euch zu warnen lag nicht in unserer Absicht, denn wir wollten nichts als euch zu Freunden machen; wäre euch aber etwas gesagt worden von diesem gegenseitigen Verlieben, so hätte das eure Feindschaft nur vermehrt und euch die Waffen in die Hand gegeben. Wir berieten uns also miteinander und kamen einträchtig überein in dem gleichen Entschluß: denn wir urteilten, daß unsere Pläne ausgeführt werden könnten, ohne einem der Beteiligten Schaden oder Schande zu bereiten, ja sie müßten zur Freude und Genugtuung aller ausschlagen. In allen den Nächten also, wo ihr bald da-, bald dorthin zu gehen vorgäbet, kam Madonna Luzia mit Hilfe meiner Dienerin Cassandra durch den Garten in mein Schlafzimmer, und ich begab mich vermittels ihrer Magd Giovanna auf demselben Wege in ihr Schlafgemach. Ihr wurdet durch diese unsere Dienstfrauen in die Zimmer geführt und läget jeder bei seinem Weibe; so habt ihr also euer eigenes und nicht, wie ihr meintet, fremdes Feld gepflügt. Es waren aber Umarmungen nicht von Ehemännern, sondern von Liebhabern, und so verbandet ihr euch mit uns immer mit heftigerer Lust als gewöhnlich, so daß wir uns beide bald schwanger fühlten. Dies muß euch im höchsten Grade angenehm sein, wenn es wahr ist, daß ihr so große Begierde habt, Kinder zu bekommen, wie ihr euch anstelltet. Wenn euch daher kein anderes Vergehen drückt, wenn euer Gewissen euch nichts weiter vorwirft, und wenn ihr über sonst nichts Schmerz fühlt, so heitert euch auf und dankt unserer List und der heitern Posse, die wir euch gespielt haben; und wenn ihr bis jetzt Feinde gewesen seid, so legt nunmehr den alten Haß ab, versöhnt euch miteinander und lebt fortan als befreundete Edelleute, euren Groll dem Vaterlande zum Opfer bringend, das wie eine zärtliche, liebreiche Mutter alle seine Söhne in Eintracht sehen möchte! Damit ihr nun aber nicht etwa glaubt, ich habe alle meine Behauptungen aus der Luft gegriffen und sowohl zu eurer Errettung als zu unserer Entschuldigung fälschlich vorgebracht, so sehet hier alle eure Briefe, die ihr an uns schriebet!«
Es gaben nunmehr beide Frauen ihren Männern so viele Beweise und entscheidende Zeichen an, und sie wußten ihre Gründe dem Fürsten und den Herren so einleuchtend zu machen, daß ihre Männer sich für zufriedengestellt erklärten und die Herren alle gleichfalls ganz befriedigt waren und auch alle einstimmig die beiden Männer freisprachen. So wurden denn beide mit Genehmigung des Fürsten und aller dieser Herren völlig freigegeben.
Die Verwandten und Freunde der Ehemänner und ihrer Frauen hatten mit größter Verwunderung die lange Geschichte angehört; sie lobten die geschehene Freisprechung in hohem Grade und hielten beide Frauen für keusch; Madonna Isotta aber erkannten sie auch für eine große Rednerin, da sie ihre eigenen Angelegenheiten wie die ihrer Männer und ihrer Freundin so gewandt verteidigt hatte. Anselmo und Girolamo umarmten und küßten öffentlich mit großer Freude ihre Frauen; dann gaben sie sich selbst die Hand und küßten sich und schlossen Brüderschaft zusammen, lebten auch fortan in vollkommener Freundschaft und vertauschten
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