Italienische Novellen, Band 1
andere einen andern.
Als es nun nahe am Tage war und Ormanno aus dem Hause wollte, sah und hörte er die Kriegsknechte, die um das Haus herstanden. Er kehrte daher zu der Frau zurück und sagte ihr, wie die Sache stehe. Die Frau stand auf, trat ans Fenster und sagte: »Was soll das heißen? Was sind das für Wachen und Neuerungen? Schämt Ihr Euch nicht, mir Wachen vor die Tür zu stellen?«
Diese Worte waren der Grund zu ihrem Tode. Wäre sie nicht ans Fenster gekommen, so wäre sie für diesmal nicht gestorben. Denn Messer Galeotto hatte für das Innere des Hauses bereits für die Ehre der Frau gesorgt, indem er eine ihrer Kammerfrauen mit der Sache beauftragte. Als ihm nun aber gesagt wurde, sie sei an das Fenster gekommen und habe jene Worte gesprochen, entschloß er sich als ein verständiger, wackerer Mann und rief einen Fähnrich des Fußvolkes und sagte: »Geh in das Haus meiner Nichte! Du findest Ormanno und die Gostanza: hau sie mir beide alsbald in Stücke!«
Der Fähnrich, namens Santolino von Faenza, antwortete: »Mein Gebieter, ihm will ich das wohl antun, aber nicht ihr. Vergebt mir, ich will meine Hand rein halten vom Blute der Malatesti.«
Messer Galeotto sagte: »Geh und tu es ihm!« Da ging er alsbald hinweg. Messer Galeotto aber rief sodann einen andern Fähnrich und sagte zu ihm: »Geh hin und hau mir die Gostanza, meine Nichte, in Stücke!« Dieser antwortete: »Herr, es soll geschehen.«
Und er ging nach Madonna Gostanzas Hause. Als nun Santolino an der Kammertür pochte, fragte Madonna Gostanza: »Was willst du?«
Santolino antwortete: »Madonna, macht auf! Ich habe Euch etwas auszurichten von dem Herrn.«
Die Frau ließ ihm aufmachen.
»Madonna«, fragte Santolino, »wo ist Ormanno?«
»Welcher Ormanno?« erwiderte die Frau.
»Ohne viel Umstände«, versetzte Santolino, »der Herr weiß, daß er hier ist, und schickt mich zu ihm, daß ich ihm etwas ausrichte. Darum haltet mich und Euch nicht auf! Es könnte sonst schlimmer kommen.«
Die Frau sagte: »Du weißt wohl, daß hier kein Mann zu sein pflegt.«
Santolino aber sagte wieder: »Wenn Ihr mir ihn nicht zeigt, wird es Euch reuen.«
Als die Frau ihn so sprechen hörte, sagte sie: »Dort ist er.«
Santolino ging zu ihm und sagte: »Ormanno, ich habe bei dir etwas auszurichten von dem Herrn.«
Ormanno sprach: »Sag an!«
Santolino fuhr fort: »Laß uns an einen verborgenen Ort gehen, ich will nicht von andern gehört werden.«
Da traten sie in ein Kämmerchen, und Santolino sprach zu ihm: »Ormanno, du mußt sterben; es ist nicht mehr zu ändern.«
Ormanno erschrak heftig und sprach sodann: »Gibt es kein Mittel, mich vom Tode zu retten?«
Santolino antwortete: »Nein, es ist alles fest beschlossen.« Da kniete Ormanno nieder vor Santolino, hob die Hände gen Himmel, bückte sich dann, nahm Staub vom Boden auf und steckte ihn in den Mund; darauf drückte er die Hände vor die Augen, um seinen Tod nicht zu sehen, und neigte den Kopf zur Erde. Santolino schwang sodann das Schwert, und gleich darauf lag jener tot zu seinen Füßen.
Der andere Fähnrich, der hingegangen war, um der Frau das gleiche zu tun, kam in die Kammer und sagte: »Madonna, ich habe Euch etwas auszurichten von dem Herrn.«
Ganz erschrocken sagte die Frau: »Sag an, was du hast!« Er sprach: »Laßt alle Eure Kammerfrauen hier abtreten!«
Die Frau schickte sie aus dem Zimmer; er trat an die Tür, verschloß sie, riß sein Schwert heraus und sagte: »Madonna, Ihr müßt sterben.«
Die Frau stieß einen heftigen Schrei aus und wollte fliehen.
»Madonna«, sagte er, »flieht nicht! Es würde Euch nichts helfen. Denn der Herr hat nun einmal Euren Tod beschlossen, und so kann Euch kein Gott retten.«
Die Frau sagte: »Wie? Will der Herr zum Mörder werden an seinem eigenen Fleisch?«
Der Kriegsmann antwortete: »Wohlan, macht Euch fertig!«
»Und du«, fuhr die Frau fort, »hast du den Mut, deine Hände mit dem Blute von Messer Malatesta Unghero, meinem Vater, zu beflecken?«
Er antwortete aber: »Ich muß tun, was mir befohlen ist; und darum verzeiht mir, denn ich tue es ungern.«
»Ist denn kein Mittel«, fragte die Frau, »mich vom Tode zu erretten?«
Er antwortete: »Nein.«
Da kniete sie nieder vor dem Bilde der heiligen Jungfrau und sprach folgende Worte: »Wenn mein erlauchter und mannhafter Vater noch lebte, würde ich nicht so im Finstern schmählichen Todes sterben; darum befehle ich in deine Arme, holdseligste Jungfrau Maria, meinen Geist
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