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Italienische Novellen, Band 3

Italienische Novellen, Band 3

Titel: Italienische Novellen, Band 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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weshalb man auch gern seinen Worten glaubte. Sie ließen den Apotheker rufen, welcher sagte, er habe das Wasser verabreicht, ohne irgend etwas daran zu fälschen. Die Ärzte wollten sich jedoch so gut als möglich aufklären, wie es mit der Sache sich verhalte, und ließen sich das Fläschchen mit dem Wasser bringen, betupften sich den Finger damit und brachten ihn an die Zunge, wo sie dann die tödliche Schärfe empfanden, die das Wasser in sich schloß; sie sprachen daher zu der Mutter: »Madonna, man hat Euch getäuscht: dies ist kein Endivienwasser, sondern wirklich Gift.«
    Nun betrachtete es die Frau genauer und erkannte, daß es ein Fläschchen Sublimatwasser sei, das sie zur Erhaltung ihrer Schönheit anzuwenden pflegte. Da fing sie an zu schreien und zu jammern und sah, daß die Dienerin sich in der Ähnlichkeit der Gefäße (denn sie sahen sich beide sehr ähnlich) getäuscht hatte, da der Diener ihr die Flasche mit dem Endivienwasser gab, während sie noch die andere in der Hand hatte; hier vertauschte sie die beiden, stellte die Arznei in die Büchse und gab Placida das Gift. Sobald die Ärzte dies begriffen, ermangelten sie nicht, jedes mögliche Heilmittel für ihren unglücklichen Sohn in Anwendung zu bringen; aber die tödliche Gewalt des Giftes hatte schon so sehr um sich gegriffen, daß alle Mittel umsonst waren, und der Jüngling starb.
    Im Bewußtsein, Gift statt Arznei dem Sohne gereicht zu haben, der ihr Gut, ihr Leben, ihr Herz war, fühlte sich die arme Mutter von solchem Schmerz erfüllt, daß sie den toten Sohn umarmte und über ihn hinsank in solcher Ohnmacht, daß man meinte, das Leben sei ganz von ihr gewichen. Da jedoch die anwesenden Ärzte ihre Mittel anwandten, riefen sie ihre Lebenstätigkeit zurück, worüber die Frau ganz unzufrieden war und sich beklagte, daß sie sie nicht haben sterben und ihre Seele hinziehen lassen, um der ihres Sohnes nachzueilen.
    »Aber«, sagte sie, »was der Schmerz nicht vermocht hat, soll meine Hand vollenden.«
    Sie hatte ein Messer in einer Scheide am Gürtel hängen, riß es heraus und wollte sich umbringen; aber die Anwesenden hielten sie zurück. Das Leben war ihr jedoch verhaßt, und darum nannte sie sie grausam, daß sie sie bei solchem Schmerze noch zum Leben zwingen. Sie verwünschte das Schicksal, sie beklagte sich über die Fügung, bezichtigte die Sterne und den Himmel der Grausamkeit und verlangte durchaus, daß ihr jene Dienerin herbeigeholt werde: denn sie wolle sie eigenhändig erwürgen, da sie durch ihre Fahrlässigkeit ihren teuern Sohn in den Tod gestürzt und ihr einen so herben Schmerz bereitet habe. Die Umstehenden suchten sie zu überzeugen, es sei nur ein Versehen, nicht böse Absicht gewesen, und das Mädchen verdiene deshalb nicht den Tod. Da sie aber ihren Zorn nicht beschwichtigen konnte, begehrte sie, man solle sie den Händen der Gerechtigkeit übergeben, damit sie zum Tode verurteilt würde. Nach einem gründlichen Verhöre fanden indes die Richter, daß sie eher unvorsichtig gewesen als schuldig sei, und sprachen sie von jeder Strafe frei.
    Dies war für Placida ein harter Schlag; denn sie war nicht zufrieden mit dem, was das Recht verlangte, sondern ließ sich einzig vom Zorn leiten und von der Wut. Man nahm ihr daher das Mädchen aus dem Hause, und sie ging voll Trauer hinweg; denn sie war sich bewußt, durch ihre Unvorsichtigkeit einen so bedeutenden Unfall veranlaßt zu haben. Als nun Placida sah, daß die frei ausgegangen war, die sie gerne zu einem grausamen Ende gebracht gesehen hätte, war ihr auch der kleine Trost entwunden, den sie aus dem Untergang derjenigen zu ziehen hoffte, die sie als die Ursache des Todes ihres Sohnes ansah. Sie kehrte daher den ganzen Zorn wider sich selbst; sie zog in Betracht, daß alles das geschehen sei zur Aufrechterhaltung ihrer Schönheit, und zerkratzte und verderbte sich dermaßen ihr Gesicht, daß ihre bisher schönen Züge viel häßlicher wurden als die des garstigsten alten Weibes, das man je gesehen. Sie sprach auch von nichts, als daß sie sich den Tod geben wolle.
    »Nimmermehr«, rief sie, »werde ich, die Mörderin meines Sohnes, am Leben bleiben. Diesen Sohn hat sein Vater Perpetuo genannt, in der Meinung, er werde in langer Nachkommenschaft sein eigenes Leben fortpflanzen.«
    Und fortwährend weinte und seufzte sie.
    »Du, Perpetuo«, sagte sie, »bleibst tot, und die dich umgebracht hat, soll leben bleiben? Leben bleiben soll die, die dich von der Hand deines Vaters

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