Italienische Novellen, Band 3
erschrak er, besonders, als er seines Freundes Kleider noch auf dem grünen Ufer liegen sah, über die Maßen, wurde immer ängstlicher und unruhiger und begann, sich überallhin unter dem Wasser umzusehen, wo er denn am Ende wirklich den von der Flut an das Ufer gespülten toten Leichnam am Boden wahrnahm. Zitternd und zagend auf den Ertrunkenen zueilend und sich seines Todes versichernd, wurde er urplötzlich von solchem Schmerze und von solcher Angst erfaßt, daß er, alles Bewußtseins beraubt, eine Weile regungslos wie eine Bildsäule dastand und zu keinem Entschlüsse gelangen konnte, weil er befürchtete, man würde ihm, wenn er die Wahrheit aussage, schuld geben, seinen Gesellschafter absichtlich ertränkt zu haben, um ihn zu berauben.
Zuletzt aus der Not eine Tugend machend und aus Verzweiflung kühn geworden, nahm er sich vor, einen Gedanken zu verwirklichen, der ihm im Augenblicke in den Sinn gekommen war. Da nämlich durchaus kein Augenzeuge in der Nähe zu sehen war, weil die meisten Menschen entweder im Kühlen saßen oder schliefen, so hob er vor allen Dingen die gefangenen Fische in einem dazu vorhandenen Kasten auf, lud sich Lazzaros Körper auf die Schultern und schleppte ihn, wie schwer er auch war, an das feuchte Ufer des Flusses, wo er ihn in das üppige Schilfgras niederließ. Alsdann zog er sich die Wasserhosen aus und bekleidete ihn damit, wand die Netze fest um den Arm des Ertrunkenen, den er hiernächst wieder aufnahm und mit dem er untertauchte, und legte ihn in das Bett des Flusses nieder, wo er den Hamen so künstlich an einen Pfahl verwickelte und festknüpfte, daß er nur mit großer Anstrengung wieder losgerissen werden konnte. Als er dies getan hatte, tauchte er wieder auf, stieg an das Ufer zurück, legte sich allmählich, vom Hemd bis zu den Schuhen, ein Kleidungsstück seines Freundes nach dem anderen an und setzte sich einen Augenblick in die Absicht versunken nieder, doch einmal sein Glück zu versuchen, teils um sich selbst zu erretten, teils um sich mit einem Wagestücke der ihn so schwer bedrückenden Dürftigkeit zu überheben und aus seiner wunderbaren Ähnlichkeit mit Lazzaro vielleicht das Heil und Wohlergehen seines ganzen Lebens zu ziehen.
Mit Verstand und Keckheit begann er darauf, als es ihm an der Zeit zu sein schien, sein ebenso gefahrvolles als verwegenes Unterfangen auszuführen, gleich als ob er Lazzaro wäre, zu schreien und zu rufen: »Zu Hilfe, zu Hilfe, ihr guten Leute! Ach, kommt herbei und rettet den armen Fischer, der untergesunken ist!« – und so lange aus vollem Halse fort zu brüllen, bis der benachbarte Müller mit vielen anderen Landleuten herbeigelaufen kam. Da gab ihnen Gabbriello nun, um Lazzaro desto besser nachzuahmen, mit tölpischen Worten fast weinend zu verstehen, wie der arme Fischersmann viele Male untergetaucht und mit vielen Fischen wiedergekommen, das letzte Mal aber fast schon seit einer Stunde unter dem Wasser geblieben sei, so daß wohl gar zu befürchten stehe, er möge darin seinen Tod gefunden haben, und bezeichnete ihnen, als er um die Stelle befragt wurde, wo Gabbriello verschwunden sei, den Pfahl, woran er den Ertrunkenen vorher befestigt hatte. Gabbriellos Busenfreund, der Müller, der ein guter Schwimmer war, warf rasch seine Kleider von sich, tauchte dicht an dem Pfahle unter und fand alsbald den daran befestigten Leichnam vor, worauf er, nachdem er umsonst versucht hatte, ihn loszuwickeln und an sich zu ziehen, von Schmerz durchdrungen wieder emporkam und den anderen mit kläglicher Stimme zurief, daß der arme Schelm mit dem Netzwerke an den Pfahl verstrickt am Boden hege und ohne Zweifel schon ertrunken sei.
Die bestürzten Gefährten des Müllers gaben ihr äußerstes Leidwesen über das Unglück mit Worten und Gebärden kund, und es entkleideten sich noch zwei andere, die denn zusamt dem Müller den Leichnam aus dem Wasser fischten und an das Ufer zogen, nicht ohne daß sie sich dabei die Arme zerfleischten und die Netze zerrissen, deren Verschlingungen sie den verzweifelten Tod des Unglücklichen schuld gaben. Indem sich nun die schlimme Neuigkeit verbreitete, zog sie auch einen Priester aus der Nachbarschaft herzu, und man lud den Toten am Ende auf eine Bahre, auf der er in eine kleine unferne Kirche getragen und mitten darin ausgestellt wurde, damit ihn jedermann in Augenschein nehme und als Gabbriello erkenne, mit dem man ihn allgemein verwechselte.
Gabbriellos arme hilflose Frau rannte, mit ihren kleinen
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