Italienische Novellen, Band 3
empfangen, um dich zur Tugend zu erziehen und zu den Jahren der Reife zu bringen! Und jetzt hat sie dich getötet? Nein, nein, das darf nicht sein.«
Damit bat sie die, welche sie bewachten, daß sie sich kein Leid antue, sie mögen ihr den Tod geben. Als sie aber kein Mittel wußte, sich das Leben zu nehmen, verfiel sie endlich darauf, nicht mehr zu essen und zu trinken. Ihre Wärter mußten ihr mit Gewalt den Mund öffnen und Flüssigkeiten hinuntergießen, um sie am Leben zu erhalten. Doch war die Gewalt ihres Schmerzes so groß, daß sie wahnsinnig wurde; während ihres Wahnsinns, der ihr jede vernünftige Überlegung raubte, führte sie fortwährend den Namen ihres Sohnes im Munde, und in diesem Zustande starb sie nach einigen Jahren. Man darf diesen Wahnsinn als ein Glück für sie betrachten, da er ihr das Bewußtsein des Unglücksfalls entzog, der ein Herz von Stein und Eisen, geschweige das Herz einer so liebenden Mutter, wie Placida ihrem Sohne war, hätte mit Jammer erfüllen müssen.
Giovanni Battista Giraldi
Täuschung und Treue
In Mantua, der edeln Stadt der Lombardei, die durch ihre Lage und Annehmlichkeit sowie durch die feine Bildung ihrer Beherrscher und ihrer Einwohner berühmt ist, der Stadt, welcher weit größere Ehre der göttliche Genius Virgils verschafft als Ocnus, der Sohn des Mantus, von dem sie den Namen erhielt, – in Mantua lebte vor kurzem eine sehr artige und höfliche Jungfrau namens Nonna, die auf das glühendste in einen Edelmann namens Pantheone verliebt war. Aber obwohl die Jungfrau sehr schön, in der Blüte ihres Alters und unter den Sittsamen die sittsamste war, so galt sie doch für arm und er für reich, und obwohl er ihre Liebe zu ihm kannte, schlug er doch, weil er wußte, daß der Zweck ihrer Liebe nicht auf Wollust, sondern einzig darauf ging, ihn zum Manne zu bekommen, es nicht hoch an, von ihr geliebt zu werden, sondern verachtete sie so sehr, daß er niemand hören wollte, der ihm von ihr sprach, was der Jungfrau unerträglichen Kummer bereitete. Bei alledem aber ließ sie die Hoffnung nicht sinken, sondern dachte, da sie ihn zu einem guten Zwecke liebe, müsse ihr Gott den Weg zeigen, um das ersehnte Ziel ihrer Liebe zu erreichen. Pantheone war aber in ein anderes Mädchen verliebt namens Lipera, die geradeso ihn verschmähte, wie er Nonna verschmähte. Sie wollte zwar nicht den Anschein haben, als sei er ihr zuwider, und wenn er sie grüßte, so grüßte sie ihn wieder; aber sie wollte nie eine Botschaft von ihm annehmen noch auch ihm die Gunst bezeugen, daß er selbst nur ein Wörtchen mit ihr sprechen konnte. Wiewohl er bei ihrem Vater um sie angehalten, hatte er doch keine Antwort bekommen, die ihm gefallen hätte. Denn da der Vater wußte, daß das Mädchen sich nicht dazu verstehe, ihn zu erhören, und wußte, daß die Frauen, die sich verheiraten sollen, einen Mann bekommen müssen, der mehr ihnen zusagt als ihrem Vater und ihrer Mutter oder sonst jemand, der für sie zu sorgen hat, da ja sie auch ihre Lebtage mit dem Manne leben müssen, suchte er die Ausflucht, er wolle seine Tochter noch gar nicht verheiraten; wenn er sie aber irgendeinem Manne in der Stadt zu geben hätte, würde er sich nicht weigern, sie ihm zu geben. Mit diesen und ähnlichen Antworten fertigte er die ab, die mit ihm davon sprachen. Dies konnte jedoch in Pantheone die Liebe zu ihr nicht mindern. Andererseits wandte auch Nonna, obwohl sie sich von ihm verschmäht sah, ihre Liebe auf keinen andern als auf ihn.
Während die Sachen so standen, kam Nonna die Liebe zu Ohren, die Pantheone für Lipera hegte, und daß diese ihn gar nicht liebe; darum kam ihr oft und viel der Wunsch, sich in jene verwandeln zu können. Da sie aber einsah, daß dies unmöglich war, fing sie an, bei sich zu überlegen, ob sie ein Mittel finden könne, Pantheone so zu täuschen, daß sie sich selbst die Liebe zuwenden könnte, die er für jene andere fühlte. Es fiel ihr aber nichts ein, womit sie ihren Zweck zu erreichen hoffen durfte. Sie dachte, wenn sie nur mit ihm sprechen könnte, würde sie ihm so eindringlich beweisen, wie sehr sie ihn hebe, daß er sich schämen müßte, sie nicht hochzuschätzen und sie mit Gegenliebe zu belohnen. Wie sehr sie aber auch ihren Kopf damit anstrengen mochte, es wollte ihr nie gelingen, so wenig Pantheone die Gunst zuteil wurde, mit der andern sprechen zu können.
Das Glück aber, das Nonnas Liebe so begünstigen wollte, daß sie ein ersehntes Ziel erreichen durfte,
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