Italienische Novellen, Band 3
Zutritt gefunden habe. Er antwortete: »Auf die Einladung Dercellas.«
»Das lügst du«, antwortete das Mädchen. »Kein Mann lebt außer Assirdo, der sich meiner Ehre oder meiner Liebe rühmen könnte.«
»Diese Lügen«, versetzte er, »sind aus dem Munde eines Mädchens keine Beleidigung, zumal da diese Schriftzüge Euch schuldig erklären.«
Bei diesen Worten zog er den Brief hervor und wollte ihn lesen, wurde aber von Assirdo unterbrochen, welcher sprach: »Treuloser Freund, mir gehört dieser Brief.«
»Allerdings«, fügte der Graf hinzu; »aber da Ihr Euch geweigert habt, hierherzukommen, habe ich Eure Stelle eingenommen und sie genossen unter dem Versprechen der Ehe.«
»Sonach«, antwortete Asirdo, »wird Dercella zwei Männer bekommen, da auch ich sie genossen habe unter demselben Vorwand.«
Eudosia merkte, daß sie getäuscht war, während sie täuschte, und da sie nicht wünschte, daß die Veröffentlichung dieser Vorfälle müßigen Kreisen zur Unterhaltung diene, sagte sie zum Grafen und zu Assirdo: »Meine Herren, wenn ihr mit ritterlichem Handeln euer gegebenes Eheversprechen aufrechterhalten wollt, so bin ich bereit zu veranstalten, daß jeder diejenige zur Frau bekomme, die er genossen hat.«
»Ich«, versetzte der Graf, »bestätige, was ich versprochen habe, und halte mich dadurch für geehrt.«
Dasselbe sagte Assirdo, wiewohl beide mit großem Ärger, da sie wußten, daß Dercella doch nur einem angehören könne. Das Wunder hörte aber auf, als Eudosia entdeckte, sie habe den Brief geschrieben und habe sich dem Grafen hingegeben unter der Voraussetzung, es sei Assirdo.
Da der Graf ja seinen Zweck reich zu werden erreichte, machte er keinen Unterschied zwischen Mutter und Tochter und bezeugte sich zufrieden, und so beschlossen sie die Hochzeiten, indem sie mit allgemeiner Heiterkeit zu erkennen gaben, daß sinnliche Liebe, wofern sie nur nicht das rechte Maß überschreitet, stets ein gutes Ziel erreichen wird.
Liberale Motense
Störung zu rechter Zeit
Es lebte unlängst in Florenz eine Dame, Celidea genannt, deren große Schönheit männiglich in Feuer und Flammen setzte. Floriandro, ein junger, ihr ebenbürtiger Edelmann, liebte sie, erhielt sie, als er sich um sie bewarb, in Ansehung seines bedeutenden Vermögens zur Frau und hatte die Freude, ehe noch ein Jahr abgelaufen war, ein Pfand ihrer Zärtlichkeit in einem Töchterchen zu besitzen, das in seiner kindlichen Gesichtsbildung ein Wunder von Schönheit zu werden versprach und bei Celideas fernerer Unfruchtbarkeit der einzige Trost ihrer Eltern über getäuschte Hoffnungen auf mehrere Nachkommenschaft ward. Da nun nach einem Zeiträume von fünf Jahren Floriandro zu der Erkenntnis gelangte, er sehne sich vergebens danach, wiederholt mit Kindern gesegnet zu werden, so beschloß er, der Tatkraft seiner Jugend nachzugeben und eine Reise übers Meer zu machen, sowohl um sich mit Kränzen des Ruhmes zu schmücken, als auch um sich auf den Rat der Ärzte von seiner Gattin und von ihr selbst damit die Ursache ihrer Unfruchtbarkeit zu entfernen. Denn die Ärzte behaupteten eben, diese Unfruchtbarkeit entspränge aus einer allzu heißen, von dem beiderseitigen sehnsüchtigen Verlangen nach Kindern genährten Liebesinbrunst, und hofften, wenn diese übermäßige Glut von der Zeit abgekühlt und gedämpft werden würde, sie dereinst noch des Segens, den ihnen keine Heilmittel und Rezepte hatten verschaffen können, sich erfreuen zu sehen.
Floriandro ließ also öffentlich verlauten, daß er sein Vaterland verlasse, um einem abgelegten Gelübde zufolge eine Wallfahrt nach Galizien anzutreten, war innerlich jedoch ganz anderer Sinnesart und nahm Abschied von seiner Frau, die ihm, angesichts des frommen Beweggrundes seiner Reise, nicht daran hinderlich zu sein wagte, als ein Pfand ihrer Liebe aber einen reichlichen Strom von Tränen an seiner Brust vergoß, deren Angedenken seinem Herzen Trost und Stärke verleihen möchte, wenn es ihrer wechselseitigen Zärtlichkeit jemals uneingedenk würde. Er reiste nach Livorno ab, ließ daselbst in möglichster Geschwindigkeit ein tüchtiges Schiff ausrüsten, lichtete die Anker, zog die Segel auf und fuhr mit günstigem Winde wie der Blitz zum Hafen hinaus.
Die Trennung von ihrem Gatten zerriß Celideas Herz, sie verlor ihre gewohnte Heiterkeit und versank in grenzenlose Schwermut. Fürchtend und in Besorgnis, wie alle Liebende, wußte sie sich mit gar nichts zu trösten, denn alle ihre Gedanken
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