Italienische Novellen, Band 3
nichts verstehen, und mir selber zugeben, daß das Recht auf meiner Seite war. Ich ersuche Sie also, Ihren Freunden zu wissen zu tun, ich hätte das Gemälde retouchiert, und sie in meinem Namen einzuladen, es sich diesen Abend noch ein einziges Mal bei mir anzusehen. Sie selbst erweisen mir wohl die Gunst, sich einige Zeit vor ihnen hier wieder einzufinden. Zu welchem Zweck ich diese Bitte an Sie richte, werden sie aus dem, was vorgeht, zeitig genug erfahren.«
Als ein billig denkender und verständiger Mann willigte der Kavalier in diese Forderung ein. Der Maler aber, von seiner Geistesgegenwart und seinem Scharfsinn unterwiesen, nahm sofort ein Stück Leinwand zur Hand und schnitt dasselbe solchermaßen aus, daß der Edelmann gerade in den dadurch entstandenen leeren Mittelraum sein Antlitz halten konnte. Um die also hervorzubringende Täuschung, als ob es in der Tat auf die Leinewand gemalt sei, destomehr zu erhöhen, nahm der Künstler noch rasch den Pinsel zur Hand und malte die letztere mit Licht und Schatten als Hintergrund zurecht, worauf er sie so hoch als möglich auf der Staffelei anbrachte und eben getrost erwartete, seine komische List teils mit Hilfe der in dem Zimmer herrschenden Finsternis, teils mit der einer vorteilhaften Beleuchtung und einiger anderen kleinen Kunstgriffe vollkommen gelingen zu sehen.
Derweil er selber diese Vorbereitungen traf, hatte der Edelmann seine Freunde zum anderen Male an diesem nämlichen Tage nach der Wohnung des Künstlers bescheiden lassen, um ihr unmaßgebliches Urteil über das angeblich retouchierte Bild zu fällen. Die Freunde versprachen nun zwar auch sich einzufinden; indessen fingen sie, nach ihrer eigentümlichen Art und Weise eine Sache beurteilend, die ihnen unbekannt war, bereits unterwegs an, von der veränderten Arbeit des Malers übel zu reden und es unter sich im voraus abzumachen, daß sie, in Beachtung der daran verwendeten, so ungemein kurzen Zeit, im wesentlichen hätte schwerlich verbessert werden können.
Sobald sie durch Klopfen an der Tür Einlaß in die Wohnung des Künstlers begehrten, begab sich der Edelmann augenblicklich an seinen ihm bestimmten Platz, schob sein Gesicht verabredermaßen in das Loch der Leinwand ein, deren Stellung der Maler so gut als möglich anordnete, und erwartete in Geduld den Ausspruch seiner guten Freunde über die wichtige Frage: ob er sich selbst ähnlich sehe oder nicht? Der Maler nahm nach der Ankunft der Kenner das Licht in die Hand und beleuchtete damit nach seinem Gutbefinden das Werk der Natur, derweil die auf daran gestellten Sesseln nach seinem Wunsche Platz nehmenden gelehrten Herren allmählich einer nach dem anderen anfingen, ihre Ausstellungen zu machen. Der eine sagte: »Ich will Sie gern mit der Kürze der Zeit einigermaßen bei mir entschuldigen; aber ich muß Ihnen allerdings gestehen, daß, nach meinem Dafürhalten, die Ähnlichkeit Ihres Bildes mit dem Originale nunmehr geringer geworden ist, als sie irgend vorher war.« Ein anderer versicherte, sein Freund habe in der Wirklichkeit kein so langes Gesicht wie auf der Leinwand. Ein dritter aber sprach: »Was konnten Sie ihm nur da für eine Nase anmalen, mit solcher Erhöhung mitten drauf? Überdies sind eigentlich seine Augen von Natur himmelblau, hier sind sie schwarz.«
Da nun der Maler sein Werk dies dritte Mal gegen ihre Anfechtungen verteidigte, so gerieten sie immer mehr in Feuer und erhitzten sich durch ihren eigenen Tadel und durch seine beharrliche Verteidigung zu guter Letzt so sehr, daß sie, damit noch weit über ihre eigene Überzeugung hinausgehend, mit lauter Stimme einhellig die Erklärung abgaben: das Bild sei eine wahre Schülerarbeit und verdiene durchaus keine Billigung.
Hier vermochte der Edelmann aber nicht länger an sich zu halten, sondern tat in der Leinwand mit einem Male den Mund auf, indem er ihnen für ihre aufrichtige Kritik seines Angesichtes seinen Dank abstattete und ihnen erklärte, wie er sich nun endlich allerdings dessen versehen habe, daß, wer da auch ganz und gar nichts davon verstehe, dennoch oft ein ebenso guter Beurteiler der Kunst wie der Natur sei.
Die erzürnten Freunde entfernten sich, und der Kavalier bezahlte dem Künstler mit Freuden seine beiden Bilder, deren eines er als ein ihr sehr wertes Geschenk seiner Geliebten verehrte.
Vincenzo Rota
Der Gastwirt von Maderno
(Zacharias Werner, Der vierundzwanzigste Februar)
In Maderno, einem Dorfe auf Brescianer Gebiet, lebte vor nicht langer Zeit
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