Italienische Novellen, Band 3
auch deren Aufrechterhaltung vornehmlich an den öffentlichen Orten in Obacht nehmen, wo die venezianischen Edelleute ihre Geschäfte treiben, wurden durch diesen schlimmen Fall höchlich aufgebracht, zogen Hab und Gut des Mörders ein und sprachen, damit noch nicht zufrieden, zum abschreckenden Beispiele für andere, ihren Gesetzen gemäß den Bann gegen ihn aus, in dessen Folge sie denn auch einen Preis von zweitausend Dukaten für den, der ihn lebend in ihre Gewalt liefere, und einen von tausend Dukaten für den Überbringer seines Kopfes aussetzten. Dem Ehrenmanne selbst fiel diese schwere Ahndung seiner Tat höchst schmerzhaft, und zwar betrübte er sich weniger über die Einbuße seines Vermögens und über die seinem Leben so gefährliche Verbannung aus seiner Vaterstadt, als über die Trennung von seinem geliebten Weibe und von seinen Kindern, die das Licht seiner Augen waren. Er hätte zwar gern sie allesamt an seinen Aufenthaltsort kommen lassen; die Herren von Venedig vereitelten ihm aber auch diesen Trost, indem sie seinem Weib eine Grenze steckten, über die hinaus sie sich bei schwerer Strafe nicht von Venedig entfernen durfte.
Von seiner Heimat also geschieden und ohne anderweitige Mittel zu seinem Lebensunterhalte als das wenige, was er im Solde des Herzogs von Ferrara mit dem Waffenhandwerk verdiente, war er außerstande, auch nur einen Heller zur Unterstützung seiner Frau nach Hause zu senden. Diese geriet hiernach mit ihren beiden Kindern von zehn und vierzehn Jahren bald in die äußerste Not und empfand ihre Armut um so übler, als ihr Mann sie bisher ein sehr behagliches Leben hatte führen lassen. Ja, es kam auf die Länge der Zeit so weit mit ihr, daß die Kinder, der notwendigsten täglichen Bedürfnisse ermangelnd, sie mit Tränen und Klagen fast umbrachten, und daß sie, von Tag zu Tag mit drückenderer Armut kämpfend, endlich an ihren Gatten schrieb: sie wisse nun gar nicht mehr, was sie in ihrer Not vornehmen solle, wenn von ihm nicht bald Hilfe für die Kinder ankomme; denn was sie selbst betreffe, wolle sie gern jedes Ungemach ertragen; doch müsse sie ernstlich für die Keuschheit ihrer Tochter fürchten, die er in mannbarem Alter verlassen habe, weil eine Menge Edelleute sie mit Versprechungen und Anerbietungen zu verführen trachte und es in so bitterem Mangel eine äußerst schwierige Aufgabe für eine Mutter sei, ohne den Schirm des väterlichen Ansehens eine Tochter zu hüten. Diese Worte gingen dem armen Manne wie ebenso viele Stiche durch das Herz, und da er neben seinen anderen vielen Sorgen sich nun auch noch die um die Ehre seiner Tochter aufgebürdet sah, so schrieb er an seine Gattin zurück, wie schwer ihm selber seine erzwungene Trennung von ihr und seinen teuren Kindern zu ertragen falle, ermahnte und beschwor sie aber zugleich auf das eindringlichste, die Keuschheit ihrer Tochter ebenso heilig zu bewahren wie ihre eigene, damit die Ehre seines Hauses unbefleckt und rein erhalten würde, und weil sie ja wohl wisse, daß man in der Welt zu sagen pflege, ebenso, wie die Tochter werde, sei die Mutter gewesen. Zum Schlüsse dieses Briefes fügte er den Trost hinzu, sie solle nur auf Gott hoffen und vertrauen, daß er sie und ihre Kinder nicht verlassen, sondern in seiner Gnade sie noch zufrieden und glücklich machen werde. Er selbst, versicherte er ihr, wolle alles aufbieten, ihr das Leben zu erleichtern und ihr zu beweisen, daß er ihr und ihrer Kinder Wohl höher achte als sein Leben.
Währenddessen die Seinigen sich mit Mangel und Not herumschlagen mußten, ging er selbst zwar immer mit dem Gedanken um, wie er etwas für sie tun könne, wurde aber am Ende, da er gar keine Mittel und Wege dazu ausfand, desto lebenssatter und müder. Siehe, da geschah es nun dereinst, daß zwei Jünglinge, mit denen er schon lange in freundschaftlichem Verkehr gestanden, unter dem Vorgeben, daß sie eine Schwester verheirateten, auf deren Hochzeit sie auch ihn zu sehen wünschten, ihn vor die Stadt hinaus auf ein Landgut führten, das sie zu ihrem Vergnügen des öfteren zu besuchen pflegten. Kaum waren sie aber daselbst angelangt, wo die beiden Brüder noch mehrere Genossen vorfanden, als sie Pisti ergriffen und in enge Bande schlugen. Der Unglückliche erstaunte und fragte, warum sie sich an ihrer gegenseitigen Freundschaft also vergingen?
Sie erwiderten, sie seien ihrem Vater größere Liebe schuldig als ihm, und angesehen, daß derselbe nicht nur aus der Stadt Venedig, sondern aus
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