Italienische Novellen, Band 3
gerieten sie beide wie außer sich selbst und kannten keinen Augenblick der Ruhe mehr, als den ihnen die Kunde gab, die eins vom andern vernahm. Ja, Delio, der jüngere, und der vielleicht minder fähig war, der geheimen Macht der Liebe Widerstand zu leisten, erkrankte so gefährlich, daß er nach Ferrara gebracht und ärztlichen Händen übergeben werden mußte, die sich mit größtem Eifer um seine Wiederherstellung bemühten. Aber weil das Heilmittel für seine Krankheit nicht im Bereiche der ärztlichen Kunst lag, schlugen auch die Arzneien nicht an.
Zu dieser Zeit sah Dafne, die um der Krankheit des Jünglings willen vielleicht ebenso großen Schmerz empfand wie der Leidende selbst, eines Tages von ungefähr einen zehnjährigen Bruder Delios, von dem sie hörte, daß weder sein Vater noch seine Mutter eben zu Hause sei, und dem sie deshalb ein Sträußchen Damaszenerrosen gab mit der Bitte, es seinem kranken Bruder von ihr zu bringen und ihm ihre herzlichen Grüße zu sagen. So einfältig der Knabe die Blumen von der Jungfrau nahm, so dienstfertig und liebreich trug er sie seinem Bruder hin. Als Delio das Geschenk sah, das ihm von derjenigen kam, von der sein Leben abhing, als er den Gruß hörte, den sie ihm sandte, fühlte er so innige Freude, daß der Geruch der Blumen und die Vorstellung dieser Liebesbezeugung seines Mädchens sein Befinden merklich besserten. Er ließ sich von seinem kleinen Bruder Schreibzeug reichen und dankte, so gut er konnte, in einem zärtlichen Briefe, den er mit zitternder Hand schrieb, dem Mädchen aufrichtig dafür, daß sie durch ihren Gruß und das Geschenk dieser schönen Blumen ihn wieder zum Leben geweckt habe; und in Ermangelung eines zuverlässigeren Boten gab er den Brief eben wieder dem Kinde zur Bestellung an das Mädchen. Er hatte dem Kleinen allerdings eingeschärft, den Brief niemandem zu übergeben als ihr. Das Schicksal wollte aber Delio auch in diesen geringen Trost sein Gift mischen: denn das unbefangene Kind trat zu dem Mädchen in das Zimmer, worin sie mit ihrer Mutter saß, hielt ihr den kleinen Zettel hin und sagte: »Nehmt, das sendet Euch mein Bruder.«
Die Jungfrau ward an der Seite ihrer Mutter feuerrot im Gesicht und wollte den Brief nicht nehmen. Als die Mutter dies sah, nahm sie ihn, las ihn, und da sie sah, woher er kam und was sein Inhalt war, erhob sie einen großen Lärm gegen ihre Tochter, zerriß ihn in deren Gegenwart, schalt den Knaben, der ihn ihr gebracht hatte, heftig aus und hätte ihn beinahe mit Schlägen fortgejagt. Der kleine Knabe lief zu seinem Bruder zurück, sagte ihm indessen kein Wort von dem erlittenen Ungemach, weil ihn seine erste Unachtsamkeit behutsam gemacht hatte, keine zweite zu begehen, und hinterbrachte ihm im Gegenteile, Dafne habe den Brief mit Freuden empfangen und empfehle sich seinem Andenken. Über diese Nachricht war Delio so sehr erfreut, daß er in kurzem seine Gesundheit wiedergewann. Und von dem Verlangen getrieben, die Jungfrau, in der seine Seele lebte, wiederzusehen, ließ er sich seine völlige Herstellung selbst so angelegen sein, daß er in wenigen Tagen imstande war, auszugehen und zu spähen, ob er seine Geliebte erblicke. Indem er nun nach diesem Tröste strebte, siehe, da kam, von Dafne abgesandt, ihre Amme auf ihn zu und erzählte ihm, was durch die Unbedachtsamkeit des Knaben vorgefallen sei, und wie Dafne aus diesem Grunde in so strengem Gewahrsam gehalten werde, daß sie noch nicht einmal so viele Freiheit gehabt habe, die Feder zu ergreifen, um ihm ihre Betrübnis schriftlich zu schildern. Es läßt sich nicht sagen, wie empfindlich den Jüngling diese Botschaft traf. Da ihm jeder persönliche Umgang mit seiner Geliebten benommen blieb, so verabredete er mit der Amme, ihr zu schreiben und sich brieflich das mitzuteilen, was sie bei der Hut, unter welcher die Jungfrau stand, einander nicht erzählen konnten. Indem sie nun so in geheimem brieflichen Verkehr ihre Liebesgluten hegten, ging eine geraume Zeit hin; und bei so großem Mißgeschick schien es ihnen eine große Erquickung in ihrer Qual, wenn sie Briefe von einander lesen durften.
Unterdessen hatte Messer Gianni die vollständige Gewißheit erlangt, Delios Vater hege durchaus nicht die Absicht, Dafne mit seinem Sohne zu verheiraten. Da diese nun bereits einundzwanzig Jahre alt geworden war, beschloß er, sie sogleich einem andern zur Frau zu geben. Er sprach daher hierüber mit seiner Tochter und setzte ihr mit vielen Gründen
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