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Ivo Andric

Ivo Andric

Titel: Ivo Andric Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Brücke über die Drina
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Dienste
anzubieten und Ihnen zu versichern ...«
    »Ich brauche Ihre Dienste nicht, und
Sie haben mir nichts zu versichern. Sie haben in Sarajewo gezeigt, was Sie
können.«
    »Herr Amtmann«, fuhr Kaufherr Pawle
mit unveränderter Stimme und immer eindringlicher fort, »wir möchten innerhalb
der Grenzen der Gesetze ...«
    »So, jetzt erinnern Sie sich der
Gesetze! Auf welche Gesetze wagen Sie sich denn zu berufen?«
    »Auf die Staatsgesetze, Herr
Amtmann, die für alle gelten.«
    Der Amtmann wurde ernst, beinahe ein
wenig ruhiger. Kaufherr Pawle nützte sogleich diese Stille des aufgeregten
Mannes aus.
    »Herr Amtmann, wir nehmen uns die
Freiheit, Sie zu fragen, ob wir, mit unseren Familien, unseres Lebens und
unseres Eigentums sicher sind, und, falls wir es nicht sind, was wir tun sollen.«
    Da breitete der Amtmann seine Hände
aus, drehte die Handflächen zu Kaufherrn Pawle, zuckte mit den Schultern,
schloß die Augen und kniff krampfhaft die schmalen, blassen Lippen zusammen.
    Kaufherr Pawle kannte gut diesen
charakteristischen, erbarmungslosen, taubstummen und blinden Ausdruck, den die
Staatsverwaltung in wichtigen Augenblicken annahm, und sah sofort ein, daß eine
weitere Unterhaltung nutzlos sein würde. Der Amtmann aber senkte seine Hände,
öffnete die Augen und sagte etwas milder:
    »Die Militärbehörden werden jeden
anweisen, was er zu tun hat.«
    Jetzt breitete Kaufherr Pawle die
Hände aus, schloß die Augen, zuckte einen Augenblick mit den Schultern und
sagte dann mit tiefer, veränderter Stimme:
    »Ich danke Ihnen, Herr Amtmann!«
    Die vier Gemeindemitglieder
verbeugten sich steif und ungeschickt. Und alle gingen wie Verurteilte hinaus.
    Die Stadt war voller verwirrter
Bewegungen und leiser Verabredungen.
    In Alihodschas Laden saßen einige
der angesehenen Wischegrader Mohammedaner, Nailbeg Turkowitsch, Osmanaga Schabanowitsch,
Suljaga Mesildschitsch. Sie waren bleich und besorgt, mit jenem schweren und
verkrampften Gesichtsausdruck, der sich immer bei Menschen zeigt, die etwas zu
verlieren haben, wenn sie sich vor unerhofften Ereignissen und großen Veränderungen
sehen. Auch sie waren von den Behörden aufgefordert worden, sich an die Spitze
des Schutzkorps zu stellen. Jetzt hatten sie sich, wie zufällig, hier
zusamengefunden, um sich auf unauffällige Art zu besprechen, was sie tun sollten.
Die einen waren dafür, mitzumachen, die anderen aber für Zurückhaltung.
Alihodscha, aufgeregt, mit gerötetem Gesicht und dem alten Glanz in den Augen,
lehnte entschieden jeden Gedanken an irgendeine Beteiligung im Schutzkorps ab.
Besonders wütete er gegen Nailbeg, der dafür war, Waffen anzunehmen und sich
als angesehene Männer an Stelle der Zigeuner an die Spitze der mohammedanischen
Freiwilligeneinheiten zu stellen.
    »Solange ich lebe, mache ich das
nicht mit. Und wenn du Verstand hättest, tätest auch du es nicht. Siehst du
denn nicht, daß die Ungläubigen unter sich eine Abrechnung miteinander haben,
aber wir schließlich doch die Zeche zahlen?«
    Und mit der gleichen Beredsamkeit,
mit der er in seiner Jugend einst auf der Kapija Osman Effendi Karamanli
widerlegt hatte, bewies er nun, daß weder auf der einen noch auf der anderen
Seite etwas Gutes für die Mohammedaner herauskäme und daß jede Einmischung für
sie nur schädlich sein könne.
    »Schon lange kümmert sich niemand um
uns und unsere Meinung. Der Schwabe ist nach Bosnien gekommen, und weder Sultan
noch Kaiser haben uns gefragt: < Ist es gestattet, ihr Begs und türkischen
Herren? > Dann haben sich Serbien und Montenegro, bis gestern noch Raja,
erhoben und das halbe Türkische Reich fortgenommen, und uns hat niemand auch
nur eines Blikkes gewürdigt. Und jetzt bekriegt der Kaiser von Österreich
Serbien, und wiederum fragt uns niemand. Man will uns einfach ein paar Gewehre
und schwäbische Uniformen geben, damit wir für die Schwaben Zutreiber spielen.
Sie wollen uns die Ehre erweisen, daß wir für sie die Serben verfolgen, damit
sie sich nicht selbst in den Bergen herumschlagen müssen. Merkst du denn gar
nichts: nachdem sie uns bei so vielen großen Dingen so viele Jahre lang
überhaupt nicht gefragt haben, woher denn jetzt diese Gnade, von der die Rippen
krachen? Ich aber sage dir, das sind große Dinge, und am besten wird es für den
ausgehen, der seine Nase nicht tiefer hineinsteckt, als er muß. Hier an der
Grenze hat es angefangen, aber wer weiß, wie weit es noch um sich greifen wird.
Irgend jemand steht hinter diesem Serbien.

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