Ja, Liebling
hieß Bruce Seton, du heißt aber Annette Morris.«
»Mein Vater hieß Seton. Als meine Mutter wieder heiratete, adoptierte mein Stiefvater mich und gab mir seinen Namen.«
Margaret wurden die Knie weich. Sie mußte sich auf den nächstbesten Stuhl setzen und bat: »Erzähl mir mehr darüber. Wie hieß deine Mutter mit Vornamen?«
»Esme. Sie hat immer über den Namen gelacht, weil er so komisch klang.«
»Dann ist es... es muß... dann bist du... Ich meine, es kann eine Menge Bettys und Barbaras geben, aber nicht Esmes. Bruce hat meiner Mutter in seinem letzten Brief diesen Namen geschrieben. Er hielt ihn für sehr schön. Annette, du mußt das Kind meines Bruders sein, von dem wir damals nichts mehr gehört haben.«
Sie betrachteten einander mit ganz neuen Augen. Schließlich sagte Margaret: »Deshalb war mir auch so, als ob ich dich schon einmal gesehen hätte, damals, als wir uns zuerst begegnet sind. Natürlich, du siehst ihm sehr ähnlich, und mir auch. Annette, wie großartig ist das.«
Und dann rollten ihr ein paar Tränen über die Wangen, weil sie plötzlich müde war und Cecily vermißte und sich immer schon nach jemandem aus ihrer Familie gesehnt hatte. Als sie merkte, daß Annette ebenfalls weinte, mußten sie beide lachen, aber es klang ein bißchen unsicher.
»Das ist alles Unsinn«, sagte Margaret, stand auf und gab dem Mädchen einen leichten Kuß. »Wir sollten uns lieber freuen und das Wiedersehen feiern. Gott sei Dank ist von dem Hochzeits-Sherry noch etwas übriggeblieben.«
Mit zitternden Fingern goß sie zwei große Gläser ein.
»Meine Mutter hat mir erzählt, daß ich hier in Neuseeland irgendwo eine Tante haben müßte, aber sie wußte auch nicht, wo. Sie hat nur erzählt, daß du einen reichen Mann geheiratet hast und wahrscheinlich nicht...«
»... belästigt werden wollte?« ergänzte Margaret den Satz. »Ach, wenn du nur wüßtest... Natürlich wollte Hervey nicht viel von meiner Familie und der Farm wissen, und als ich versuchte, mit deiner Mutter in Verbindung zu treten, hat er abgeraten. Weißt du, mein Vater hatte sich mit ihr zerstritten, sie hatte ihm nicht wiedergeschrieben und dann geheiratet... Annette, erzähl mir doch mehr darüber.«
»Ich war sechs, als sie George Morris heiratete. Er war lieb und machte sie sehr glücklich, aber sie hat meinen Vater nie vergessen und mir immer wieder erzählt, wie sehr er Neuseeland liebte. Mein Stiefvater war viel älter, als er starb, hatte meine Mutter nur eine kleine Rente. Ich lernte Maschineschreiben und Steno und bekam eine Anstellung. Dann wurde Mutter plötzlich sehr krank und starb. Für mich war es das Ende meines bisherigen Lebens. Ich wollte immer schon Neuseeland, die Heimat meines Vaters, kennenlernen. Deshalb verkaufte ich meine Möbel und bezahlte damit die Überfahrt. In England hielt mich nichts mehr, ich wollte nur weg von dort. Ich blieb ein paar Wochen in Wellington, dann bekam ich diese Anstellung. Das ist eigentlich schon alles.«
Es war eine traurige kleine Geschichte. Margaret hätte am liebsten schon wieder geweint. Nur war das nicht die richtige Art, eine neue Nichte zu begrüßen. Also füllte sie rasch die Gläser noch einmal, und da sie es nicht gewohnt waren, vor dem Essen so viel zu trinken, löste der Alkohol ihre Zungen. Die Tränen waren bald vergessen.
Margaret erfuhr, wie vereinsamt das Mädchen nach dem Tod der Mutter gewesen war, und Annette bekam einen vagen Eindruck von Margarets Einsamkeit. Wie gern hätte sie früher einmal von ihrer Kindheit und der Farm gesprochen.
»Aber Hervey wollte davon nichts hören. Er fürchtete immer, die Leute würden dann glauben, er hätte eine Landpomeranze geheiratet. Ich rede einfach zu viel. Alkohol habe ich nie gut vertragen. Hervey hat sich dann immer meinetwegen geschämt. Er sagte immer: >Essen wir lieber etwas.<«
Sie mußten beide lachen. Margaret wollte Annette lieber nicht erzählen, daß nach Herveys Meinung Menschen von wirklich guter Rasse Alkohol immer vertragen konnten. Es war vielleicht überhaupt besser, Hervey nicht mehr zu erwähnen, bis die Wirkung des Alkohols nachließ.
»Ich kann auch schlecht zwei Gläser hintereinander vertragen«, sagte Annette. »Vielleicht liegt das in der Familie — ich meine Nichttrinken, Nichtrauchen und dazu die Schüchternheit.«
In der Familie! Dieses Wort hatte für sie beide einen wunderbaren Beiklang. Es verband sie und verscheuchte die Einsamkeit. Margaret sagte: »Stell dir nur vor — nun
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