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Jack Holborn unter den Freibeutern

Jack Holborn unter den Freibeutern

Titel: Jack Holborn unter den Freibeutern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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dem leben-
    den Mister Morris.
    Alle außer Mister Pobjoy, der kühl ihrer gedachte:
    »Mister Tomkyn und Mister Carfax waren ein Paar
    greulich versoffener Schweine. Weine ihnen keine
    Träne nach, mein Junge. Sie sind für alle Zeiten von ihren Qualen erlöst, während du und Pobjoy – wenn
    der Ginvorrat reicht – weiter leiden in dieser bösen Welt, und zwar Jahre und Jahre und Jahre!«
    Aber Mister Tomkyn und Mister Carfax konnten
    so schnell nicht vergessen werden. Während sich in
    ihrem Leben niemand darum gekümmert hatte, ob sie
    kamen oder gingen, fanden sie jetzt, da sie tot waren, Freunde. Der schlaue Mister Trumpet erinnerte sich
    sehr gern, was für ein feiner Mensch Mister Tomkyn
    gewesen sei und wie er den Schalk in Mister Carfax’
    Triefaugen geschätzt habe. Das wirkte auf die ande-
    ren, bis der Verlust von Tomkyn und Carfax zur ge-
    spenstischen Warnung wurde, daß Mister Taplows
    Rache bevorstehe.
    So wurde das tote, ruhelose Ding zum Grenzpfahl,
    zur Schranke zwischen Vorderdeck und Achterdeck.
    Es wurde zum Gift, das Mister Trumpet in die Luft
    flüsterte und das bereitwillig eingeatmet wurde …
    Wenn einem Mann tödliches Unrecht zugefügt wur-
    de, warum sollte er dann nicht zurückkehren?
    Dann begann er, wie er’s auch mit Mister Taplow
    getan hatte, dem entgegenzutreten, was er eingefädelt hatte. Und mit der gleichen Wirkung. Bestärkend.
    Zuletzt, durchaus zufrieden mit seinem Erfolg, bat er 81
    sie, fast spöttisch eine Weile Geduld zu üben, das Unrecht des Kapitäns gegen Taplow zu vergessen – oder zumindest so lange zu warten, bis der Tote ein anderes, unverkennbareres Zeichen setze.
    Was hatte aber dann der Marlspieker und die be-
    deckende See Taplow angetan, daß er immer noch
    unter uns wandelte? Taplow, zwanzigmal schreckli-
    cher als er im Leben gewesen war … der nicht nur
    mit einem Mann im Laderaum Komplotte schmiede-
    te, sondern in jedem Hirn an Bord umherspukte.
    Zwanzig tödliche Taplows, unsichtbar außer in un-
    steten Blicken … Taplow im Vorderdeck, Taplow in
    den Wanten, Taplow in den Segeln, Taplow selbst im
    Sturm …
    Am nächsten Morgen, dem Anfang der fünften
    Woche des großen Sturmes, legte sich der Wind. Wir
    lagen wie ein totes Schiff auf einem toten Meer. Hinter uns war die große Wolke hochgezogen und hing
    wie ein schwarzer Tiger am Himmel. Ich betrachtete
    sie voller Unbehagen. War das Taplows Zeichen?
    IX
    Wenn die Hölle so heiß ist wie jener furchtbare Morgen, dann will ich nicht hin. Der Himmel brannte
    nieder und sengte das Deck, daß die Kanonen zisch-
    ten, wenn man drauf spuckte. Und das Meer! Das
    glatte, blendende, zinnfarbene Meer, stachelbewehrt mit zehntausend Stückchen der schmerzenden Sonne!
    82
    Man konnte nicht länger als zehn Sekunden darauf-
    blicken, um zu sehen, wohin wir gelangt waren – und wohin bestimmt.
    Von Taplow wurde an jenem Tag nicht gespro-
    chen: man sprach von nichts anderem als etwas zu
    trinken. Der rasende Mister Pobjoy, halb ertrunken
    im eigenen Schweiß, ächzte, weil die Fässer vor seinen Augen starben. Auf und ab in der Kombüse
    schlurfte er, und seine triefenden Füße hinterließen Pfützen – außer, wenn er nach draußen ging, und
    kleine Dampfwölkchen aufstiegen, wo er gewesen
    war, weil die Sonne die Feuchtigkeit trocknete. Gegen Mittag war es noch heißer, und ich dachte, wir würden das Ende der Welt erleben. Selbst Mister Morris war unter Deck gegangen, und die Charming Molly lag mit nacktem Deck unter der mörderischen
    Sonne. »Um Himmels willen, geh unter und komm
    nie wieder hoch.«
    Aber als diese Sonne über das Focksegel und daran
    vorbeigegangen war, ging Mister Pobjoy hinaus und
    verfluchte sie, spie auf die dunstige gelbe Kugel, die durch die Leinwand des Focksegels glühte. Er schüttelte wütend die Fäuste nach ihr.
    »Runter mit dir, du großer Brandball. Verfaule
    und ertrinke. Komm nie wieder hoch, um die armen
    Seelen vor ihrer Zeit zu rösten.«
    William Hughes, der die Wache auf dem Vorder-
    deck übernehmen sollte, schüttelte ängstlich den
    Kopf. »Möchtest du uns alle in der Finsternis,
    Mann?«
    83
    Aber Mister Pobjoy war wieder hineingegangen
    und hörte ihn nicht mehr. Also folgte ich ihm, und
    William Hughes bezog die Wache auf dem Vorder-
    deck.
    »William Hughes, Mann! Bist du da?«
    »Klar, Jarvis, ich bin da. Und es ist eine schwere, feuchte, atemlose Art von Nacht. Ich bin hier, Jarvis, aber ich wünschte, ich wär’s nicht.«
    Das war um neun Uhr in

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