Jack Holborn unter den Freibeutern
Geld. Aber vielleicht machen sich reiche Herren nichts daraus, Geld rauszuwerfen?
Als wir sagten, es sei ein weißer Mann, den wir
wollten, ein Freund von uns, nickte er und sagte, es sei ein schöner Zweck zum Geldausgeben: »Einen
Freund kaufen … kommt nicht oft vor … aber viel-
leicht seien wir sogar dafür reich genug? Aber immer die Zähne ansehen. Schwarz oder weiß, auf die Zäh-ne kommt’s an. Kein Sinn, einen Freund zu kaufen,
der angefault ist und auf dem Heimweg zugrunde
geht …«
Bevor wir gingen, gab er uns den besten Rat:
»Nicht zu erpicht, Sirs. Gebt euch den Anschein, als würdet ihr ihn auch zum höher Bietenden gehen lassen. Denn die betrügen euch, das werden die Araber.
Keine echten Gentlemen. Laßt es sein: Ach was, mehr ist er mir nicht wert. Bedauern, Gentlemen. Ein
Freund ist ein Freund, aber Geld ist Geld. Nehmt ihn euch. Mir bricht das Herz, aber nicht die Tasche.
Laßt sie denken, daß ihr hartgesotten seid. Das wird ihnen Respekt abnötigen, Sirs.
Und wenn es gegen euch entschieden wird – denn
ich kann sehen, daß der junge Herr vielleicht allzu versessen ist – macht euch keine Gedanken. Macht’s
das nächste Mal besser. Ein Freund verloren: Geld
gespart. Denkt daran: kriegt vielleicht nächstes Mal einen besseren Freund – billiger. Lernt aus der Erfah-rung.«
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Er lächelte Mister Trumpet zu: »Wir wissen Be-
scheid, wie? Sir! Haben Sie ein Auge auf den jungen Herrn. Und kommen Sie wieder, wenn’s fertig ist.
Wenn Sie etwas gekauft haben, wird ihn Mister
Thompson preiswert ausstatten. Und wenn ihr un-
glücklich gewesen seid, wird Mister Thompson trö-
sten. Sehr tröstlich, Mister Thompson.«
Wir gingen daher in der Mitte des Morgens von
Mister Thompson zu den schwitzenden Massen und
dem fliegenbeschmutzten Sonnenschein von N-. wo
Seeleute und Passagiere der beiden Schiffe im Hafen neugierig umherwanderten und sich am schlimmsten
Ort der Welt satt sahen: sich fragten, wieviel sie für wie wenig kaufen könnten, und sich die Ärmsten aus-suchten, um sie am leichtesten zu betrügen.
Wir aber mußten einen Herrn namens Ibram Fared
ausfindig machen, der weder arm noch leicht zu
betrügen war. Einen Mann von großer Bedeutung in
N-. ohne den nicht einmal ein Kind verkauft werden
konnte. Ein Mann, durch dessen schlanke braune
Hände alles marktgängige Fleisch dieses Teils der Kü-
ste zu gehen pflegte. Ein Mann, dessen Auge schärfer war als das eines jeden Arztes in der Beurteilung von Gesundheit und Kraft und Lebenserwartung, die er
bis auf den Schilling genau berechnete.
Wenn ein Sklave wußte, daß Mister Fared ihn für
einen halben Schilling verkauft hatte, dann starb er noch in derselben Woche, denn er wußte, daß ihm
Mister Fared ins Herz gesehen und erkannt hatte,
daß es über den oder jenen Tag hinaus nicht schlagen 176
würde. So starb er denn. Niemand betrog Mister Fa-
red, nicht einmal in einer solchen Kleinigkeit.
Von Mister Fared mußten wir also Lord Shering-
ham kaufen. Mister Trumpet seufzte und sah grim-
mig drein, wie ein Soldat, der sich zur Schlacht rüstet.
Ich hatte jedoch mehr Hoffnung …
XVIII
Mit Versteigerungen bin ich fertig. Ich gehe nie wieder zu einer, so lange ich lebe. Das ist mein Wunsch und Mister Trumpets entschiedener Rat. Er sagt, ich sei dafür nicht geschaffen. Eine Gefahr. Er sagt, ich ver-riete jede kleinste Unze Gefühl, von Angst bis platter-dings zur Panik, daß mein Gesicht so lesbar sei wie ein Hauptbuch, mit Gewinn und Verlust in Rot und Weiß
verzeichnet, und die Bilanzsumme stets in meinem un-versiegelten Mund. Er sagt, er würde sich mit mir nie wieder in die Nähe einer Auktion trauen, es sei denn, ich steckte in einer Rüstung mit verschlossenem Visier.
Und selbst dann hätte er seine Bedenken …
Aber was habe ich falsch gemacht? An welchem
Punkt hat das Unheil seinen Lauf begonnen? Ich habe ihm genau gefolgt, bis ich meinen Geistesblitz hatte.
Aber da war es schon zu spät.
Und es schien alles so gut zu gehen. Selbst Mister
Trumpet hat gemeint, daß sich die Dinge gut entwik-
kelten. Mister Fared, der furchteinflößende Mister Fared, erwies sich lediglich als ein zuvorkommender älte-177
rer Herr, sehr pedantisch in seiner Verhandlung. Die beiden Schiffskapitäne, die da waren, schienen durchaus einfache, durchaus ehrliche Burschen, und selbst Sir Joseph Downs (Teil-Eigner von Kapitän Farmers
Schiff) schien gar kein so übler englischer Herr zu sein.
Ich mache
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